Pünktlich mit viel Theorie

Eine Finnin und ein Inder besuchen zurzeit das St.-Bernhard.

Willich. „Hier geht es viel ordentlicher und pünktlicher als bei uns zu.“ Das sagt Al-Azhar („Ali)“ Rangwala. Der 16-Jährige, der derzeit mit dem Rad von Anrath zum Schiefbahner St. Bernhard Gymnasium fährt („das ist ganz schön anstrengend“), ist eigentlich in der indischen 17-Millionen-Metropole Mumbai, ehemals Bombay, zu Hause. Seit August 2010 ist er Austauschschüler und wohnt wie die fast 18 Jahre alte Finnin Johanna Wärn bei einer Willicher Familie.

Ermöglicht hatte den Austausch der Willicher Rotary Club. „Zuhause nehme ich mir für einige Cent ein Taxi oder eine Rikscha, das ist doch viel bequemer“, plaudert der junge Gast aus Indien in gutem Deutsch. Er musste sich am Niederrhein erst einmal an die ganz anderen Größenverhältnisse gewöhnen. „An unserer Schule in Mumbai wird in zwei Schichten unterrichtet, alleine eine Stufe besteht aus etwa 3000 Schülern, in einer Klasse sitzen etwa 50“, erklärt Ali.

Der 16-Jährige, der bei Uschi und Matthias Krebs wohnt, ist leidenschaftlicher Fußballer und Fan von Bayern München. Ali liebt das deutsche Essen, nennt auch sein Lieblingsgericht: Currywurst mit Pommes . . .

Wie Johanna Wärn besucht Ali die 11. Klasse des Schiefbahner Gymnasiums. Beide werden im Laufe des Schuljahres von jeweils drei Gastgeberfamilien betreut. Johanna kommt aus Turku, einer Stadt mit rund 180.000 Einwohnern. Sie geht dort in eine schwedische Schule.

Eigentlich wollte sie lieber nach Kanada oder Australien, hat aber dann dem Aufenthalt in Deutschland zugestimmt und es nicht bereut: „Hier gehen die Menschen offener miteinander um als bei uns.“

Von ihrem heimischen Schulsystem ist die junge Frau sehr überzeugt. In Finnland lernen die Schüler erst einmal neun Jahre in einer Grundschule und besuchen dann für drei Jahre entweder ein Gymnasium oder eine Berufsschule. Je nach Abschluss ist in beiden Fällen ein anschließendes Studium möglich.

Johanna vergleicht: „Mathe ist hier besser, aber der Sprachunterricht überhaupt nicht.“ Zuhause werde zunächst viel mehr Wert auf die Aussprache gelegt: „Die Grammatik kommt erst später.“ An deutschen Schulen werde viel zu viel analysiert und theoretisiert. Gut in Finnland sei ferner, dass jedes Schuljahr in fünf Abschnitten von jeweils etwa sechs Wochen unterteilt ist, mit jeweiligen Zwischenprüfungen: „Man lernt dann viel intensiver als hier in Deutschland.“

Bei den Sprachen kann man der jungen Finnin, die beim Schulchor des St. Bernhard Gymnasiums ebenso mitmacht wie bei einer Theatergruppe in Kaarst, nichts vormachen. Sie spricht schwedisch, finnisch, englisch, deutsch, französisch und spanisch, versteht auch norwegisch und dänisch.

Betreut wird sie derzeit von der Schiefbahner Familie Christiane und Sieghard Heyers. Die Eheleute waren sofort bereit, die finnische Schülerin aufzunehmen. Denn ebenfalls seit August vorigen Jahres ist ihre 17-jährige Tochter Katrin bei Familien im kleinen Städtchen Richland im US-Bundesstaat Washington. Gerade erst hat Mutter Christiane mit ihr geskypt: „Sie lebt dort ihren Traum und fühlt sich sehr wohl.“

Johanna und Ali freuen sich schon auf eine dreiwöchige Tour, die sie ab der kommenden Woche quer durch Europa führen wird.

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