Leiser Abschied in den Ruhestand Manchmal hilft Kuno noch aus

Schiefbahn · Nach 50 Jahren hat Kuno Hild sein Herrenmode-Geschäft in Schiefbahn abgegeben. Der 77-Jährige gilt als eine Mode-Koryphäe. Dabei eröffneten sich seine guten Kontakte in die Branche erst durch einen früheren Job in der Düsseldorfer Werbe-Szene.

 Kuno Hild genießt seinen Ruhestand, möchte nun was von der Welt sehen. Karina Oelbracht pachtet das Geschäft und hat es modisch ganz anders ausgerichtet, die Schiefbahner nehmen „Lulu Fashion“ gut an.

Kuno Hild genießt seinen Ruhestand, möchte nun was von der Welt sehen. Karina Oelbracht pachtet das Geschäft und hat es modisch ganz anders ausgerichtet, die Schiefbahner nehmen „Lulu Fashion“ gut an.

Foto: Norbert Prümen

Mehrere Monate nach dem Inhaberwechsel verirren sich noch hin und wieder einige Männer in den Bekleidungsladen an der Hochstraße und fragen: „Wo ist denn der Kuno?“ So erzählt es Marcel Oelbracht, der gemeinsam mit seiner Frau Karina dafür verantwortlich ist, dass hier plötzlich überwiegend moderne Frauenklamotten zu finden sind, statt der gehobenen Herrenmode. Nach fast 50 Jahren wurde aus „Kuno Herrenausstatter“ „Lulu Fashion“, das markante Logo, das einen Mann mit Schnauzer, Hut und Monokel zeigt, ist verschwunden.

Der umtriebige Kuno Hild, der in Willich fast schon Kultstatus genießt, hatte sich am Ende des Sommers in den Ruhestand verabschiedet. Doch ganz weg ist er irgendwie auch nicht. Mit seiner Frau Brigitte wohnt er in der Wohnung über seinem früheren Laden, den er an die Oelbrachts vermietet, das Büro teilt er sich mit ihnen. Und wenn einer verzweifelt nach ihm fragt, dann kommt er eben zu Hilfe geeilt.

 Kennern gilt Hild als eine Mode-Koryphäe. Nicht auf der Königsallee in Düsseldorf – bei ihm im kleinen Schiefbahn gab es häufig die Kollektionen von Hugo Boss, Otto Kern, Klemm oder exklusive Stücke aus Italien als erstes. „Textilvertreter kamen nach Schiefbahn und kauften bei mir ein“, sagt Hild. Die Kleidung suchte er meist persönlich aus, er pflegte persönliche Beziehungen zu zahlreichen Mode-Mogulen in Deutschland. Doch wie kam das?

Ein Auge für das Schöne hatte er schon immer. Als junger Kreativer war er früh zum Produktioner bei der Werbeagentur GGK in Düsseldorf aufgestiegen, die Werbung für namhafte Kunden und Verlage designte und druckte. Sie landete im Stern und vielen anderen Magazinen und Zeitungen. Wenn man mit Hild über seine Vergangenheit spricht, erscheint sie wie eine Zeit im Rausch. Abendessen und Feiern mit Düsseldorfs High Society wechselten sich mit Arbeit ohne Pausen bis in die Morgenstunden ab. „Keiner kann sich vorstellen, unter welchem Druck man gearbeitet hat. Teilweise bimmelten vier Telefone gleichzeitig“, sagt Hild. Irgendwann, in den 1970er Jahren, hatte er genug und fand den Absprung. Doch sein Job und die mit ihm verbundenen Bekanntschaften hatte ihm Türen geöffnet: in die Modebranche.

Er lernte vom Chef eines bekannten Modelabels, begab sich mit ihm auf Reisen in das Modezentrum Italien, besuchte die Strickerein vor Ort und entwickelte ein Gespür für Stoffe, Muster, Stile. „Ich hatte in Willich keine Konkurrenten, war frei bei der Firmenwahl, konnte mit den Kollektionen spielen“, sagt Hild.

Über die Jahrzehnte hat er seinen Riecher für die Veränderungen in der Branche nie verloren, erzählen sich Menschen, die ihn kennen. Den Laden vergrößerte er in drei Etappen, und immer ging er mit der Zeit. „Die Kleidung ist über die Jahre lockerer geworden“, sagt Hild. Das Geschäft lief, selbst als mit dem Internet ein schier übermächtiger Konkurrent am Horizont erschien, kamen die Männer noch zu ihm, weil etwa der online bestellte Anzug nicht passte. Über seine Kontakte hatte er schnell drei Passformen bestellt, die dann von einer Schneiderin individuell angepasst wurden. Aber natürlich gab es nicht nur Anzüge.

Nun wagte Kuno Hild mit 77 Jahren den Absprung, auch wenn er zugibt, dass es noch etwas schwerfalle, loszulassen. „Es war jetzt Zeit für mich, aufzuhören. Ich möchte reisen und leben, spontan ins Auto oder Flugzeug steigen und die Welt sehen. Das haben meine Frau und ich uns verdient. Wenn man ein Geschäft führt, geht das nicht“, betont der Oldtimer-Liebhaber. Und er weiß, dass sein altes Ladenlokal in Schiefbahn weiterhin Anlaufstelle für geschmackvolle Mode bleibt.

Als die Oelbrachts, die bereits in Kaarst ein Modegeschäft haben, im Sommer vorstellig wurden, sei das „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen, sagt Hild, von Anfang an habe er ein gutes Gefühl gehabt. Auch wenn Karina Oelbracht eine andere Ausrichtung verfolgt: Zwar gibt es auch etwas Herrenmode, der Großteil des stilvollen, aber erschwinglichen Sortiments ist aber auf Frauen ausgerichtet. „Bei Frauen gibt es heute eine ganz andere Kaufkraft“, sagt Marcell Oelbracht, der den Düsseldorfer Club „Nachtresidenz“ betreibt. Hilds Mitarbeiterin Cornelia Schade wurde indes übernommen.

Der neue Laden werde von den Schiefbahnern gut angenommen, so die Bilanz nach drei Monaten. „Wir sind mehr als überrascht, dass es so gut läuft“, sagt Marcel Oelbracht, der seine Ehefrau vor allem beim Marketing unter die Arme greift. Das Einkaufserlebnis soll sich vom Internet abheben. Auf der Rasenfläche hinter dem Laden stehen Loungemöbel, zum Shoppen gibt es ein Glas Sekt oder eine Tasse Kaffee. Über neue Kollektionen und Schnäppchen werden treue Kunden sofort über Whatsapp, und die professionellen Auftritte bei Instagram oder Facebook informiert, Bestellungen auch per Post geliefert, zuletzt gab es Late-Night-Shopping für ausgewählte Kunden. „Wir wollten nie einen zweiten Laden, aber Kuno hat uns inspiriert“, sagen die Oelbrachts. Dass Kuno Hild noch ab und zu präsent ist, stört die beiden überhaupt nicht, man pflege einen herzlichen Umgang. „Er lässt uns unser Ding machen, und wenn von einem wie ihm auch noch ein Lob kommt, schmeichelt das schon.“

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