Auftritt in Neersen Wenn die Polizei zum neugierigen Freund und Helfer wird

Neersen. · Mit seinem Programm „Fatih Morgana“ war Fatih Cevikkollu in der Neersener Motte zu Gast. Der Kabarettist lud zum Perspektivwechsel ein.

 Fatih Cevikkollu ist ein Wirbelwind. In der Motte im Schloss Neersen stand er bei seinem Auftritt kaum eine Sekunde still.

Fatih Cevikkollu ist ein Wirbelwind. In der Motte im Schloss Neersen stand er bei seinem Auftritt kaum eine Sekunde still.

Foto: Norbert Prümen

Kaum steht er im hellen Anzug, weißen T-Shirt und Zehentrenner-Sandalen auf der Bühne und hat einen kabarettistischen Eingangsrap hingelegt, da brandet in der Neersener Motte Applaus auf. „Das ist ein Geräusch, das man hören darf. Das ist mein zweiter Auftritt seit dem 13. März in einem geschlossenen Raum. In mir hatte sich der Gedanke verfestigt, dass dies gar nicht mehr stattfinden kann“, bemerkt Fatih Cevikkollu.

Mit dem Applaus solle nicht gegeizt werden, denn dafür gebe es keinen Grund. Alles sei bestens und das Programm richtig gut, schließlich habe er es schon gesehen, fügt er lachend an. Und damit ist der 47-Jährige auch schon mitten drin in seiner „Fatih Morgana“, seinem nunmehr sechsten Soloprogramm. Die Zuhörer erfahren darin ganz neue Dimensionen und
Erkenntnisse.

Cevikkollu stellt die These in den Raum, dass Wichtigkeit an Zahlen ablesbar sei. Fußball sei so wichtig, dass die Bundesliga die erste Veranstaltung gewesen sei, die wieder stattgefunden habe. Hier stünden allein die Zahlen der Finanzentscheidungen im Vordergrund. Den Beweis liefert er direkt: Wären es nämlich Besucherzahlen, sähe das Ganze anders aus. Cevikkollu möchte von den Besuchern wissen, wie viele Menschen 2018 in den Fußballstadien anzutreffen waren. Die auf die Bühne gerufenen Zahlen variieren von vier Millionen bis zu einer Milliarde. Die Auflösung: 21,4 Millionen Menschen. Die nächste Frage bezieht sich auf Theaterbesucher im gleichen Zeitraum. „Ich löse auf“, beendet Cevikkollu das Rätselraten. 34 Millionen Menschen sind die richtige Antwort.

Kultur- und Kreativbranche
die zweitgrößte in Deutschland

Mit 105,5 Milliarden Euro sei die Kultur- und Kreativbranche die zweitgrößte Branche nach der Autoindustrie. Dennoch sei die Kultur das Erste gewesen, was in Zeiten von Corona ausgeschaltet worden sei – „schließlich ist Kultur nicht systemrelevant. Vielleicht sollten wir uns in dieser Branche zukünftig als Fluggesellschaft ausgeben. Freiflüge auf Fatihs Flotte“, sagt der Kabarettist und spielt damit auf die Milliardenhilfen für die Fluggesellschaften an.

Der Kabarettist spiegelt
eine verdrehte Welt wider

Cevikkollu ist subtil. Er heißt sein Publikum in der schönen neuen Welt der alternativen Fakten willkommen. Eine verdrehte Welt, die er gekonnt widerspiegelt und mit viel Ironie auf die Schippe nimmt. „Du gehst maskiert in eine Bank, und es ist das Normalste der Welt. Wenn du eine Panik auslösen möchtest, gehst du ohne Maske rein und hustest wild herum. Husten, Husten, wir haben ein Problem“, röhrt er in den Saal.

Cevikkollu fragt sich, was mit der Zivilisation passiert und wo die persönlichen Freiheitsrechte bleiben. Eine Pandemie, die alles verhüllt und sich über alles legt. Klimawandel gebe es ebenso wenig wie Rassismus. Die Beweise, dass kein Rassismus existiert, liefert er mit: Bei einer Verkehrskontrolle sei er gefragt worden: „Wie kommt es, dass so ein Typ wie du sich so einen Wagen leisten kann?“ „Das ist kein Rassismus. Das ist Neugierde. Und er duzt mich, weil er mein Freund ist. Ein neugieriger Freund und Helfer“, sagt Cevikkollu. Und auf die Frage vom Wachtmeister, warum er das besagte Auto fahren kann, ist die Antwort ebenso einfach: Er kann, weil er in der Schule aufgepasst hat.

Cevikkollu, der kaum eine Sekunde auf der Bühne der Motte stillsteht, bindet sein Publikum über den ganzen Abend mit ein. Es geht interaktiv zu, und das ohne Pause, denn die darf es in Zeiten von Corona schließlich auch nicht mehr geben.

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