Lyrik: Der Alltag wird zur Poesie

Marcell Feldberg hat seinen zweiten Gedichtband veröffentlicht.

Schiefbahn. Wenn Marcell Feldberg aus dem Haus geht, hat er sein „Nebenhirn“ stets in der Tasche. So nennt der Schiefbahner Kirchenmusiker spöttisch sein rotes Notizbuch, in das er scheinbar Nebensächliches, Vergessenes einträgt, das er so auf seinen alltäglichen Wegen sieht oder hört. Oft ist es nur ein einziges Wort. Diese Notizen verdichtet er dann zu Bildern, die in ein schwarzes Notizbuch, das „Journal“, wandern. So entstehen Anspielungen, Aphorismen — und sogar Poesie. Einen zweiten Band mit solchen Gedichten hat Feldberg jetzt veröffentlicht.

„Mandelblüte und Jakobsschatten. Nachtstücke — Werktage“, hat er das 138 Seiten starke Buch genannt. Wie schon bei seinem Erstling „Sprache der Gräser“ kommt darin Feldbergs Freude an sprachlichen Experimenten und Doppeldeutigkeiten zum Ausdruck. So finden sich im Zyklus „Mandelblüten“, der tagebuchartig geordnet ist, poetische Korrespondenzen mit Autorenfreunden wie Cees Nooteboom und Paul Nizon. Das Gedicht „Stille“ etwa bezieht sich direkt auf Nooteboom. Es ist aber auch ein Landschaftsbild von Feldbergs Lieblingsinsel Ameland.

Die „Nachklänge“, zweiter Teil des Buches, spielen auf die letzten Lebensmonate von Robert Schumann an. „Es handelt sich um Phantasiestücke und Nachtnotizen“, verrät Feldberg. Zitate aus der Krankenakte des Komponisten werden darin mit Gedanken Feldbergs verschachtelt.

Hinter „Jakobsschatten“ steckt eine streng komponierte Folge von Texten, die sich auf die Responsorien (Antwortgesänge) der Kar-Liturgie beziehen. „Den kirchenmusikalischen Hintergrund kann ich hier nicht leugnen“, sagt Kantor Kirchberg. Der abschließende Zyklus „Werktage“ schließlich ist ein Auszug aus dem „Journal“. Darin finden sich Zeilen wie diese: „Ich schreibe ein Wort auf, ein einziges, und bilde mir ein, es sei ein Akt des Widerstandes gegen das Verschwinden.“

Wie sollte ein Leser an solche Lyrik rangehen? „Einfach lesen und selber Bilder machen“, sagt der Dichter. Wer das einmal versuche, gehe mit anderen Augen durch die Welt.

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