Landwirtschaftsserie Die Möhre braucht intensive Pflege

Schiefbahn · Das Schiefbahner Unternehmen Brocker Möhren bewirtschaftet 1000 Hektar Land.

 Außen grün, später möhrenorange: In Schlangenlinien wachsen die Möhren auf diesem Feld in Vorst.

Außen grün, später möhrenorange: In Schlangenlinien wachsen die Möhren auf diesem Feld in Vorst.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Möhren und Häschen scheinen auch bei Brocker Möhren in Schiefbahn zusammen zu gehören. Im Foyer des Verwaltungsgebäudes stehen etliche entsprechende Figuren. Auch wenn, so wird es Geschäftsführer Mario Brocker später im WZ-Gespräch sagen, Hasen weniger an der gelben Rübe interessiert sind – da seien Feldmäuse eine größere Plage. Die Sämaschine von Firmengründer Hans Brocker verweist auf die Anfänge des Unternehmens, die mit Matthias Brocker begann.

„Mein Großvater hatte nur ein paar Morgen Land und den kleinsten Hof in Willich“, erzählt Enkel Mario Brocker. Davon ist heute nichts mehr zu merken, das Unternehmen bewirtschaftet fast 1000 Hektar. Mit 16 Jahren musste bereits Hans Brocker den Hof übernehmen, da sein Vater erkrankt war. Nach und nach seien Kühe und Schweine abgeschafft und sich auf den Anbau von Möhren und Kartoffeln beschränkt worden. Immer wieder gerne erzähle sein Vater, wie er morgens um 4 Uhr aufs Feld sei, um die Möhren per Hand zu bündeln und sie mit dem Trecker zum Schwager nach Krefeld gebracht hat. Mario Brocker: „Der hatte eine Waschanlage, wir nicht“. Auch das hat sich mittlerweile geändert, Brocker liefert seine Ware selbst an die Handelsketten. Dieses Transport-Geschäft hat sein Bruder Hans-Jürgen (48) übernommen, die Brocker Logistik mit Firmensitz in Glehn. Nach und nach hat sich dann Hans Brocker auf Möhren spezialisiert.

1984 wurde die erste Halle auf dem Areal in Schiefbahn gebaut. Heute sind es 13, in denen die Möhren gewaschen, sortiert, verpackt und gelagert werden. Und somit wird sichergestellt, dass jährlich etwa 120 000 Tonnen an Bio- und konventionellen Möhren ausgeliefert werden können.

Doch bevor die Möhre im Laden oder beim Kunden landet, muss sie erst einmal wachsen. Die Samen dazu kommen von Saatgutherstellern. Es sind sogenannte Hybridensorten, die über eine Einzelkornsämaschine auf einem Damm ausgesät werden. Zuvor wurde der Boden gefräst, um ihn kleinkrumig zu machen. „Es geht darum, möglichst in gleicher Tiefe zu säen, damit später die Möhre in gleichmäßiger Qualität wächst“, erklärt Brocker. Diese wird unter anderem an Durchmesser und Länge bewertet. Erstere sollte 20 bis 25 Millimeter betragen und letztere 20 Zentimeter. Diese Sortierung findet maschinell aber auch per Hand in den Hallen statt. Möhren, die nicht für den Handel geeignet sind, landen in der Industrie, werden entsaftet, kommen in Biogas-Anlagen oder enden als Tierfutter.

„Möhren wachsen auf allen Böden“, sagt Mario Brocker. In sandiges Erdreich werden die Frühmöhren – sobald es die Witterung zulässt – unter Folie und Vlies gesät. Mittlere Bodenverhältnisse sind für die Sommermöhre, Aussaat ist im März und April ideal. Und Lössboden, in dem kein Sandkorn zu finden ist, ist gut geeignet für Lagermöhren. Deren Aussaat findet von Mitte April bis Ende Mai statt. „Diese Möhren werden dann auf dem Feld mit viel Erde in Holzkisten gerodet. Sie sollen sich fühlen wie im Winterschlaf“, erklärt Brocker. Geerntet wird je nach Saatzeit dann von Mitte Juni bis November, Dezember.

„Möhren sind keine einfachen Kulturen, sie sind pflegeintensiv“, weiß Brocker, der Ausbildungen als Landmaschinentechniker, Landwirt und Agrarbetriebswirt gemacht hat. Auch bis das Gemüse „aufläuft“, also aus dem Damm wächst, muss dieses Wachstum beobachtet werden. Beispielsweise auf schwierigen Böden, die verkrusten. Dann muss der Krustenbrecher ran. Ist es nur eine leichte Kruste, werden hinter dem Traktor vier Autoreifen – für vier Dämme – montiert, die beim Drüberschleifen die Kruste aufbrechen. Ist diese stärker, so kommt ein Metallrad zum Einsatz.

Wie die Möhren vor den Feldmäusen geschützt wird

Hinzu kommt, dass ab diesem Jahr die Samenkörner ohne Industriebetriebe geliefert werden. „Das ist ein Neonicotinoid, das den Samen wie ein Mantel umgibt. Beim Keimen wird es aufgenommen und schützt später so die ganze Möhre. Es wurde verboten, obwohl es nicht schädlich für Bienen ist. Die gehen nicht an Möhren, da diese nicht zum Blühen kommt“, erklärt Brocker. Dafür freuten sich nun Drahtwürmer, Möhrenfliegen und Läuse. Diese könnten sich an der Möhre festsaugen und sie so schädigen, dass sie zum Totalausfall für den Landwirt wird. Und da wären noch die Feldmäuse. „Da diese einen sogenannten Naschfraß vollziehen, kann es hier zu einem enormen Schaden kommen, da jede Möhre angefressen wird“, so Brocker. Um dies zu vermeiden, werden Gräben mit senkrechten Wänden um die Möhrenfelder gefräst. Fällt eine Maus hinein, ist sie dennoch nicht verloren, da sie an den Seitenrändern diese Gräben wieder verlassen kann.

Weiterer natürlicher Schutz sind Stangen, auf denen Turmfalken auf ihre Beute warten können. Das ist ein Teil des Umweltprogramms von Brocker. „Wir haben Nistkästen für Schwalben und Eulen, Turmfalken und vieles mehr und arbeiten zusammen mit dem Nabu am Pro-Planet-Programm. „Zudem haben wir knapp 28 Hektar mit heimischen Blühpflanzen angelegt.“

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