Diskussion Förderung für „Dritte Orte“?

Tönisvorst · Das Land NRW will kulturelle „Hotspots“ im ländlichen Raum unterstützen: Interesse und Zweifel in Tönisvorst.

 Das renovierte Vereinsheim des Akkordeon-Orchesters: Der Musik-Verein wurde im Ausschuss als Beispiel genannt.

Das renovierte Vereinsheim des Akkordeon-Orchesters: Der Musik-Verein wurde im Ausschuss als Beispiel genannt.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Bei einer Diskussion im Tönisvorster Schul- und Kulturausschuss ging es jetzt um „Dritte Orte“, Häuser für Kultur und Begegnung im ländlichen Raum. So heißt ein Förderprogramm der NRW-Landesregierung. „Dritte Orte“ sollen Ankerpunkte in einer Stadt sein, kulturelle und gesellschaftliche Hotspots, Plätze, an denen Kulturangebote entstehen, erlebt werden können und Kulturinteressierte sich kreuzen und vernetzen. Solche Orte zu sichern, durch sie die kulturelle Infrastruktur einer Stadt im Ländlichen zu bereichern, ist ein Hauptkriterium für einen Zuschuss.

Maximal winken
600 000 Euro

15 Projekte will das Land mit Millionen fördern. Als maximale Fördersumme winken bei Zuschlag für ein Projekt 600 000 Euro bei einem zugleich verbleibenden Eigenanteil von 20 Prozent, im Höchstfall also 150 000 Euro. Bis zum 30. April muss ein erstes Konzept, eine umrissene Idee eingereicht werden.

Die CDU stellte den Antrag nach dem Motto „Mitmachen. Bewerben!“ im Fachausschuss. Aus ihrer Sicht könnte, wenn Geld flösse, das Konzept der Stadtbücherei unterstützt werden, die bereits als „Anlaufstelle der Begegnung, Vernetzung und zum kulturellen Austausch dient“. CDU-Sprecher Thomas Kroschwald stellte sich ein „Kulturzentrum Ratssaal“ vor, schlug die Anschaffung neuen Mobiliars vor.

Peter Siegel, langjähriger Stadtkulturbund-Vorsitzender, erinnerte daraufhin daran, dass doch gerade Kulturschaffende vor einigen Jahren „dieses Ratssaals verweisen worden“ seien. Gründe für das Aus der Reihe „Kultur im Rathaus“ und Ausstellungen von facette und anderen Vereinen waren unzureichender Brandschutz und das Manko der aufwendigen „Möbel-Polonäse“.

Siegel wünschte sich städtischerseits ein Konzept für Orte, an denen man Lesungen, kleine Konzerte und ähnliches durchführen könnte. Der Stadtkulturbund ist bekanntlich im Forum Corneliusfeld zu Hause, nutzt für kleinere Veranstaltungen mit Musik, Kabarett und Lesungen Haus Vorst, die Christuskirche und das Gemeindezentrum der evangelischen Gemeinde an der Hülser Straße in St. Tönis.

Durch ein solches Förderprogramm, sagte Siegel, würden die Leute heiß gemacht. Er plädierte dafür, Konzepte gründlich zu erarbeiten und vorzubereiten, auch in Zusammenarbeit mit dem Stadtkulturbund, dessen Mitwirkung auch Dominique Huth signalisierte. Hauptmotor des Prozesses aber müsse die Verwaltung sein, so Huth.

Joachim Kremser von der SPD warnte: „So eine Förderung hat Vor- und Nachteile. Anschub ja, aber man muss auch die Folgekosten bedenken.“ Wünschenswert wäre aus seiner Sicht ein permanentes Screening von Fördermitteln, die man abrufen könnte, „Dafür könnte man einen in der Verwaltung abstellen, der zur richtigen Zeit die richtigen Fördertöpfe findet.“ Kremser plädierte wie sein Parteifreund Helge Schwarz dafür, erst einmal Ideen auszuloten.

Die Verwaltung
reagiert verhalten

Fachbereichsleiter Lars Schaath reagierte aus Verwaltungssicht verhalten auf eine Wettbewerbsbeteiligung: Programm zwar gut. Förderung auch wünschenswert und Antragstellung sicher möglich. Aber: Begleitung, Durchsetzung und Nachhaltigkeit aber personell seitens der Verwaltung nicht zu stemmen. „Wenn wir den Zuschlag bekämen, hätten wir niemanden, der es begleiten kann“, betonte Schaath.

Der Einwand von Christdemokratin Sabine Zeuner, „Sind wir Mimis oder wollen wir etwas erreichen? Warum es nicht einfach mal versuchen? Wir haben hier die Möglichkeit, an dem Fördertopf zu partizipieren“, überzeugte die Mehrheit nicht. Der CDU-Antrag wurde abgelehnt. Die Zweifel an einer zeitlich und personell machbaren Durchsetzung waren nicht ausgeräumt.

Die Stadt Tönisvorst ist damit aus dem Antragsrennen. Nicht aber ihre Kulturschaffenden. Ausschussmitglieder könnten sich vorstellen, dass Vereine in der Stadt durchaus Chancen im Rennen um ein Stück vom Fördervolumen für „Dritte Orte“ hätten. In dem Zusammenhang wurde beispielsweise das Akkordeon-Orchester 1957 St. Tönis genannt. Der Verein verfügt über ein eigenes Vereinsheim.

Über Räume, in denen kleinere und mittelgroße Veranstaltungen möglich sind. Das Konzert der Band KölschTönis am vergangenen Wochenende ist nur ein Beispiel dafür. Der gerade ins Leben gerufene Samstags-Jugendtreff „Meet & Musik“ ist innovativ, das Konzept, das freie Musiker mit Mitgliedern des Akkordeon-Orchesters musikalisch zusammenbringt, Probenräume für neue Bandprojekte anbietet und fördern möchte.

Das würde zu den Förder-Kriterien des Landes passen: „Ziel ist die Entwicklung von neuen, beziehungsweise die Weiterentwicklung von bereits bestehenden Dritten Orten: Kultur- und Bildungsangebote sollen durch Öffnung, Vernetzung und Bündelung zu regionalen Ankerpunkten werden.“

Theater, Konzerte, Lesungen –
es gibt viele Ansätze

Könnte auch die Reihe „Götterspeise“ in der Christusgemeinde mit ihrem Konzept der Öffnung punkten? Das neue „Wohnzimmer“, der Jugendtreff in Vorst? Der Ausschuss machte sich dafür stark, das Förderprogramm zu bewerben. Tönisvorst hat so viel zu bieten: Lesungen und Angebote für Kinder, präsentiert durch die Stadtbücherei. Themenwochen im JFZ. Theater, Schauspiel und Konzerte, angeboten vom Stadtkulturbund. Abende wie die Italienische Nacht, veranstaltet durch die Künstleragentur Wazlawik 2018 im Seulenhof. Lesungen im Seniorenbüro Alter-nativen – bald mit der St. Töniser Autorin Doro Koch. Kabarett in Haus Vorst – wieder an Altweiber. Klavierabende, Ausstellungen und Lesungen im Kulturcafé Papperlapapp. Die Tönisvorster Rocknacht. Sogar Wohnzimmerkonzerte von St. Töniser Privatleuten mit hochkarätigen Musikern… Viele Ansätze für neue Ideen.

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