Kreis Viersen will Rettungswache nach einem Jahr wieder schließen

Der Kreis will die erst 2017 eröffnete Rettungswache in Anrath wieder schließen. Die Mitarbeiter sind in heller Aufregung. Auch die Verwaltungsspitze ist fassungslos.

Kreis Viersen will Rettungswache nach einem Jahr wieder schließen
Foto: CDU

Willich/Anrath. Die Aufregung bei den Mitarbeitern der Willicher Rettungswache ist groß: Aus der Zeitung mussten sie gestern erfahren, dass der Kreis Viersen — gestützt auf ein Gutachten — plant, die erst im Vorjahr eröffnete Rettungswache in Anrath wieder zu schließen. Stattdessen soll eine neue Wache in Vorst gebaut werden (die WZ berichtete). „Ich habe für Freitagmittag in Absprache mit dem Personalrat eine Mitarbeiterbesprechung angesetzt, um die Jungs zu beruhigen“, berichtete am Donnerstagnachmittag der zuständige Geschäftsbereichsleiter bei der Stadt Willich, Martin Zinnel, im Gespräch mit der WZ.

Knapp 900 000 Euro hat die Stadt Willich in die Anrather Wache investiert. Sie war nach Absprache mit dem Kreis und den Krankenkassen gemeinsam mit der neuen Feuerwache gebaut worden und wurde laut Zinnel ab 2014 „dreimal in den Rettungsbedarfsplänen des Kreises ausgewiesen“. Nicht zuletzt die Krankenkassen hätten damals erklärt, dass der Bau sinnvoll sei, da vor allem für Neersen die vorgeschriebene Rettungszeit von maximal zwölf Minuten von der Wache Willich aus nicht immer einzuhalten sei. „Daraufhin haben wir mit den Planungen losgelegt“, so Zinnel.

Der Kreis-Gutachter hat nun vorgeschlagen, in Vorst eine neue Rettungswache zu bauen (siehe Bericht unten). Von dort aus könnten Einsätze in der Stadt Tönisvorst, aber auch in Anrath und Oedt gefahren werden.

Zumindest theoretisch. Praktisch sieht Martin Zinnel noch viele offene Fragen im Gutachten. „Was ist mit Neersen und Clörath?“, will er wissen. Was ist mit der stark befahrenen Bahnstrecke zwischen Anrath und Vorst? Was passiert, wenn der Rettungswagen dort minutenlang vor der Schranke steht? Reichten die vom Gutachter im Oktober bei Testfahren zurückgelegten 364 Kilometer, um die gefahrenen Zeiten sicher bestimmen zu können? „Beim Brandschutzbedarfsplan in Willich lasse ich mehrere Fahrten zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Tagen machen“, sagt Zinnel.

„Plakativ und populistisch“, nennt er die Rechnung des Kreises, wonach im vergangenen Jahr 47 Prozent der kreisweiten Ausfallstunden der Rettungswagen in Willich anfielen. Zinnel macht eine Gegenrechnung auf: Die Rettungswache Willich/Anrath mit ihren 27 hauptamtlichen Mitarbeitern habe im Vorjahr 26 280 Dienststunden leisten müssen. 177 Stunden davon musste ein Rettungswagen mangels Personal abgemeldet werden — zum Beispiel durch Erkrankungen. „Das sind 0,68 Prozent“, betont Zinnel. „Das liegt im organisatorisch vertretbaren Rahmen.“ Denn überwiegend gelinge es, kurzfristige Ausfälle über 30 zur Verfügung stehende ehrenamtliche Kräfte des Roten Kreuzes zu ersetzen. Aber wenn sich morgen um 7 Uhr jemand krank melde, dauere es ein, zwei Stunden, bis der Ersatz zur Verfügung stehe.

Zurück zu Aufregung bei den Mitarbeitern der Rettungswache. Diese hätte man sich aus Sicht der Willicher Stadtverwaltung ersparen können und müssen, wenn der Kreis mit seinen Informationen in Abstimmung mit den Kommunen an die Öffentlichkeit gegangen wäre. Und wenn dabei deutlich gemacht worden wäre, dass die Vorschläge des Gutachtens noch längst nicht beschlossen sind. Beides sei unterlassen worden.

„Das Ganze ist eine Grundlage, mehr nicht“, betont der Erste Beigeordnete Willy Kerbusch. Ihn wie auch Bürgermeister Josef Heyes stört diese „Umgangskultur“ durch den Landrat und den Kreiskämmerer gewaltig. „Sehr verwundert“, ist der Bürgermeister, dass die neue Wache in Anrath geschlossen werden soll, obwohl man sich mit dem Kreis zuvor abgestimmt habe. „Da ist doch Schilda nichts dagegen“, bringt es Willy Kerbusch auf den Punkt.

Grundsätzlich können er und Martin Zinnel sich vorstellen, dass es eine — offenbar gewünschte — Zentralisierung des Rettungswesens bei der Kreisverwaltung mit einheitlicher Gebühr gibt. „Wenn es denn wirtschaftlich sinnvoll ist“, betont Kerbusch.

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