Infektionsschutzgesetz Schnelles Handeln und Rechtssicherheit

Interview | Kreis Viersen · Das neue Infektionsschutzgesetz wird auf den Weg gebracht. Die WZ sprach mit den Bundestagsabgeordneten Schummer (CDU) und Schiefner (SPD) aus dem Kreis Viersen.

 Das neue Infektionsschutzgesetz wird auch im Bundestag diskutiert werden.

Das neue Infektionsschutzgesetz wird auch im Bundestag diskutiert werden.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Noch in dieser Woche soll das neue Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht werden. Es soll dem Bund mehr Macht bei der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen geben. Bislang liegt die letzte Entscheidung bei den Ländern, Stichwort Föderalismus. Anlässlich dieser doch einschneidenden und auch verfassungsrechtlich umstrittenen, geplanten Maßnahme – Ausgang noch ungewiss – hat die WZ ein paar Fragen an die beiden Bundestagsabgeordneten des Kreises Viersen, den Willicher Uwe Schummer (CDU) und den Kempener Udo Schiefner (SPD) gestellt.

Wie stehen Sie dazu, dass der Bund mehr Macht bekommen soll?

Uwe Schummer: In Zeiten der Pandemie ist schnelles Handeln erforderlich. Das Virus kümmert sich nicht um das oft langwierige Gesetzgebungsverfahren. Wichtig ist aber, dass die pandemische Notlage durch das Parlament festgestellt werden muss und das Parlament sie auch wieder beenden kann. Des Weiteren gilt, dass sie immer nur zeitlich befristet ist und wenn sie nicht durch das Parlament verlängert wird, automatisch beendet ist. Von daher hat das Parlament weiter eine starke Rolle.

Udo Schiefner:  Man muss alles tun, um die Pandemie zu bekämpfen. Dass der Bund durch das Infektionsschutzgesetz mehr Macht bekommt, halte ich für schlichtweg falsch. Statt einer Flut von Anordnungen, die sich immer wieder ändern, die von Bundesland zu Bundesland verschieden sind, gibt es dann einheitliche Regeln, die Rechtssicherheit bieten. Die Flut der Anordnungen verunsichert den Bürger und lässt die Politik aussehen, als ob sie nicht entscheiden könnte. Am Beispiel des Ausgangsverbots möchte ich erläutern, weshalb eine Änderung gut ist. Bisher können Kommunen nur per Verfügung eine Ausgangssperre verhängen. Gibt es eine gesetzliche Regelung, dann haben die Kommunen mehr Sicherheit. Natürlich sieht das eine Kommune in Nordfriesland mit geringen Inzidenzzahlen anders als beispielsweise im Bergischen Land. Und auch bei Juristen wird es unterschiedliche Meinungen darüber geben, was juristisch machbar ist und was nicht.

Glauben Sie, dass das Gesetz durchkommt?

Schummer: So wie es bei allen Gesetzen ist, wird das Parlament auch dieses Gesetz verändern. Es ist gut, dass die Vereinbarung der Ministerpräsidenten über eine Notbremse bei starken Inzidenzzahlen in ein Bundesgesetz verankert wird und so alle Bundesländer ihre Vereinbarung auch einhalten müssen. Es gibt jedoch Konsequenzen, von deren Verhältnismäßigkeit nicht alle überzeugt sind. Darüber werden wir noch diskutieren und es wie bei jedem Gesetzgebungsverfahren verändern. Schiefner: Hier gilt das Strucksche Gesetz: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist. (Peter Struck (SPD) verstorben 2012, u.a. Verteidigungsminister, Anm. d. Red.)

Wie wählen Sie und warum? 

Schummer: Mit den Änderungen, die wir am Montag in den Fraktionen besprochen haben, gehe ich davon aus, dass ich dem Gesetz zustimmen kann.

Schiefner: Wie ich mich letzlich entscheide, kann ich noch nicht sagen, schließlich ist noch nichts fest geschrieben.

Steht sich der Föderalismus hier im Weg oder gäbe es andere Herangehensweisen?

Schummer: Beim Infektionsschutzgesetz und der starken Stellung der Bundesländer haben wir festgestellt, dass in politisch unruhigen Zeiten Vereinbarungen verwässert oder unterschiedlich ausgelegt wurden. Deshalb sind eine klare bundesweit geltende Zielsetzung und auch ein definierter Maßnahmenkatalog sinnvoll.

Schiefner: Ich bin ein Verfechter des Föderalismus. Er hat viele positive Dinge bewirkt und wurde ja auch nicht ohne Grund in der BRD eingeführt, blickt auf die Geschichte zurück. Natürlich macht der Föderalismus auch manches schwieriger, vor allem durch Kirchturm- Denken an der einen oder anderen Stelle. Im neuen Infektionsschutzgesetz sollen ja keine Regeln zum Selbstzweck stehen, sondern welche, die Klarheit schaffen. 

Ist der Föderalismus in so vielen Bereichen noch zeitgemäß? Beispielsweise mit Blick auf die Schulen?

Schummer: Der Föderalismus und viele Gesetzgebungsprozesse bedürfen einer grundlegenden Reform. Wir sind in vielen Themen zu langsam und bundeseinheitliche Regelungen sind wichtig für die Vergleichbarkeit – beispielsweise bei den Bildungsabschlüssen. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann würde ich die Zahl der Bundesländer reduzieren. Nach der Deutschen Einheit gab es beispielsweise eine Diskussion über die Zusammenführung von Berlin und Brandenburg.

Schiefner: Diese Diskussionen werden immer wieder geführt. Ich glaube schon, dass einige Veränderungen nötig sind. Aber nicht im Moment. Wir müssen erst die schreckliche Pandemie bekämpfen. Es braucht eine breite Mehrheit, das Föderalismussystem zu reformieren. Gerade im Bildungs- und Kulturbereich. Denkt man an Abi-Prüfungen oder an Bildungszuschüsse des Bundes, die nicht auf dem direkten Wege fließen können. Die Länder beginnen zaghaft, sich auf das Thema einzulassen. 

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