Kaum Klagen aus dem Anrather Gefängnis

Anstaltsbeirat zieht Bilanz seiner fünfjährigen Arbeit.

Anrath. Folter, Vergewaltigung, Gewalttaten - Berichte über skandalöse Zustände hinter den Mauern der nordrhein-westfälischen Gefängnisses gab es in den vergangenen Monaten immer wieder. Gemessen daran scheint die Justizvollzuganstalt Willich I (Männergefängnis) eine Insel der Seligen zu sein: Uli Winkler, stellvertretender Vorsitzender des Anstaltsbeirats, wusste in einem Pressegespräch von keinem einzigen ernsthaften Fall zu berichten.

Der siebenköpfige Beirat - er ist auch für die Zweiganstalten in Mönchengladbach und Krefeld zuständig - hatte eingeladen, um Bilanz seiner zu Ende gehenden, fünfjährigen Amtszeit zu ziehen. Denn nach der Landtagswahl wird ein neues Gremium eingesetzt. Politiker wie Winkler, Hans Kothen und Landtagsabgeordneter Stefan Berger gehören ebenso dazu wie Sozialarbeiter Wolfgang Bach. Die Mitglieder sehen sich als Sprachrohr der Gefangenen, aber auch der Vollzugsbediensteten, wie Winkler verdeutlichte. Die wenden sich allerdings selten an den Beirat.

"Wir fühlen eine soziale Verantwortung", erklärte Winkler. Die Gefangenen nutzten regelmäßig die Möglichkeit, sich unter vier Augen mit einem Beiratsmitglied unterhalten zu können. "Ich bin oft alle zwei, drei Wochen hier", schätzt Winkler. Die Bitte um ein Gespräch landet im Hafthaus in einer Art "Kummerkasten" und wird dann an den Beirat weiter gegeben.

Ein Nichtraucher klagt darüber, mit lauter Rauchern auf einer Zelle zu liegen. Ein Frisör, Gefangener der U-Haftanstalt in Krefeld, hat bei seiner Festnahme die Tageseinnahmen nicht mehr wegschließen können. Bei Fällen dieser Art konnte der Beirat problemlos helfen. Anders sah es aus, als sich ein Häftling darüber beschwerte, dass die Anstalt einen Teil seines Arbeitslohns einbehält: Auf Nachfrage erfuhr Winkler, dass der Mann bei seinem Küchenjob mit Drogen gehandelt hatte und daher eine Weile nicht arbeiten durfte. Als er eine neue Stelle bekam, wurde ihm seine "Fehlzeit" vom Lohn abgezogen.

Der hohe Anteil an Arbeitslosen ist hinter Gittern ein Problem: Für 65 bis 70 Prozent der Gefangenen gibt es eine Beschäftigung. "13 Stellen sind gerade wieder weggefallen, da die neue Küche der Frauenhaftanstalt jetzt auch uns bekocht", berichtet Anstaltsleiterin Beate Peters. Die Eintönigkeit in der Zelle kann ohne Job zu erhöhter Aggression führen.

Wenn demnächst die NRW-Justizministerin die Anstalt besucht, werden die Beiratsmitglieder solche Probleme zur Sprache bringen. Aber auch die Überstunden der Bediensteten ( im Schnitt sind es 100 pro Mitarbeiter) oder die Überbelegung (teils mehr als 450 Gefangene bei 415 Haftplätzen) werden dann Thema sein.

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