Tönisforst Jeder kann im Notfall helfen — auch Kinder

Im St. Töniser Jugendfreizeitzentrum lernen Sechs- bis Neunjährige von einem Sanitäter die Grundbegriffe der Ersten Hilfe.

Tönisforst: Jeder kann im Notfall helfen — auch Kinder
Foto: Friedhelm Reimann

St. Tönis. Samuel hat einen Kopfverband. Caro trägt eine Bandage am rechten Schienbein. Rieke hat den rechten Arm verbunden und umwickelt gerade Kims Unterarm mit einer Mullbinde. Ronjas Unterschenkel und Hand mussten soeben verarztet werden. Und bei Mandy wird nun die Taille verbunden. Alles Helden, diese Kinder. Zum Glück sind sie schmerzfrei, unverletzt, wissen aber spätestens seit Montag, was zu tun ist für den Fall, dass eine Wunde größer ist als ein Kratzer und der Blutfluss gestillt werden muss. Und für den Fall, dass ein Arm oder ein Bein gebrochen ist, furchtbar wehtut und unbedingt ruhig gestellt werden muss.

Das sind erste Eindrücke von Erster Hilfe, die nicht erst interessant werden sollte, wenn die Führerscheinprüfung ansteht. Im St. Töniser Jugendfreizeitzentrum (JFZ) ging es daher am Montag schon für ab Sechsjährige um Haltung und Handeln im Ernstfall, um Antworten auf die Frage: „Helfen? Ja, aber wie?“ Ralf Bruns vom Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes hatte ebenso viele Antworten wie Materialen ins JFZ mitgebracht: Scheren, Dreieckstücher, Mullbinden, „Monsterpflaster“, Rettungsdecken und Kompressen. . . Tütenweise hatte er dabei, was ein Ersthelfer am Unfall- oder Unglücksort möglichst schnell zur Hand haben sollte. „Man kann nicht früh genug mit Erster Hilfe beginnen“, ist der ausgebildete Rettungssanitäter überzeugt und lobt beispielsweise die vielen Schulsanitätsdienste als richtiges Signal.

Die 13 Sechs- bis Neunjährigen, die er an diesem Vormittag altersgerecht unterrichtet, sollten nach drei Stunden vor allem eine Erkenntnis mitnehmen: „Jeder kann helfen und sollte auch den Mut dazu haben. Es reicht als erster Schritt schon der Anruf unter 112.“ Laura hat sich eine Unfallszene ausgedacht, die dazu geführt hat, dass sie nun ihre Freundin verbinden muss: „Ein Auto ist über die rote Ampel gefahren und hat Caro angefahren. Sie blutet am Schienbein.“ Behutsam rollt Laura die Mullbinde um den Unterschenkel und stopft das Ende in eine Schlaufe. Der Verband hält. Caro lächelt. „Hat gut geklappt.“

Bruns macht den Kindern Mut. „Bedenkt immer: Es ist besser etwas als nichts zu tun. Und der Verband muss ,nur’ zehn Minuten halten, denn dann kommt der Rettungswagen mit den Profis, die sich die Verletzung ganz genau ansehen.“ Hanna weiß, wie schmerzhaft eine blutende Wunde sein kann: „Ich bin mal in Holland mit dem Fahrrad gefallen. Da hatte ich beide Knie auf.“

Caro verzieht jetzt noch das Gesicht, wenn sie daran denkt, wie weh es tat, als sie am Strand auf eine scharfkantige Muschel getreten ist. „Was sollte man tun, wenn die Schmerzen so stark sind, dass es einem ganz übel wird?“ fragt Bruns. An Rieke demonstriert er, wie man vorgehen sollte. Wichtig: „Niemals den Patienten auf einen Stuhl setzen: Er könnte vom Stuhl kippen und sich noch mehr wehtun.“ Bruns’ Regel Nummer 1: Den Verletzten erst auf den Boden legen und dann dessen Füße hochlegen. „Dann fließt das Blut wieder schneller in den Kopf, und es geht bald wieder besser.“

Rieke hat die sogenannte Schocklage eingenommen, bekommt noch eine Decke übergelegt, damit sie nicht unterkühlt.

Bruns: „Ihr solltet immer bei dem Verletzten bleiben und trösten. Das ist ganz wichtig.“ Ist jemand sogar ohnmächtig geworden, rät der Rettungssanitäter zur „stabilen Seitenlage“. Denn, wer in dem Zustand auf dem Rücken liegen bleibt, laufe Gefahr, keine Luft mehr zu bekommen, weil die Zunge erschlafft nach hinten in den Hals gefallen sein kann. Dann erklärt Bruns mit ein paar Worten und Griffen, wann die Seitenlage stabil ist und lässt es die Kinder in Zweierteams nachmachen. „Ja, genau, am Ende noch den Kopf nach hinten strecken. Richtig!“, lobt er. „Kann ich mir noch einen Verband machen?“, fragt Kim. „Na klar“, antwortet der Erste-Hilfe-Profi. Mit nach Hause nehmen sollen die Kinder die Päckchen aber nicht.

Auch beim Ganzkörperverband, den Samuel gerne hätte, muss Bruns nein sagen. Am Nachmittag hat er schließlich noch einen Kurs mit Zehn- bis 13-Jährigen. Bei ihnen steht dann außerdem das Thema Wiederbelebung an. Oberkörper-Puppe Anne bekommt dann zu Demonstrationszwecken eine Lunge unter den Plastik-Rumpf. Aber das wäre für die Kleinen am Morgen noch zu kompliziert gewesen. Ihnen reicht auch die Faszination des Verbindens und verbunden werdens.

Samuel, Caro, Rieke, Kim, Ronja, Mandy und die anderen wissen jetzt, was einen Held(en) ausmacht: H wie Hilfe rufen (112). E: Verletzten ermutigen, L: lebenswichtige Funktionen kontrollieren und D: Decke über den Patienten legen.

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