Generalist und „Teppichhändler“

Uwe Schummer ist als Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion an wichtigen Entscheidungen beteiligt.

Generalist und „Teppichhändler“
Foto: Kurt Lübke

Willich/Berlin. Uwe Schummer ist derzeit bei den Medien ein gefragter Mann: Hier ein Interview beim SWR zum Thema „200. Geburtstag von Karl Marx“, dort ein Gespräch mit der Berliner Zeitung über die Zukunft von Hartz IV — solche Termine häufen sich für den Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Viersen. Der Grund: Seit diesem Jahr ist der Willicher Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Was es mit dieser Position auf sich hat, erläutert er im Gespräch mit der WZ.

Herr Schummer, erklären Sie unseren Lesern doch zunächst einmal, was die Arbeitnehmergruppe überhaupt für ein Verein ist.

Uwe Schummer: Die Fraktion setzt sich aus verschiedenen Gruppen zusammen, also zum Beispiel aus Landesgruppen, Facharbeitskreisen und soziologischen Gruppen. Der Arbeitnehmergruppe gehören mehr als 80 Abgeordnete an, die mich zu ihrem Sprecher gewählt haben. Wir stellen etwa ein Drittel der Gesamtfraktion. Um einen Antrag durch die Fraktion zu bringen, müssen die Gruppen ihm zustimmen. Ich bin als Vorsitzender der großen Arbeitnehmergruppe automatisch im Fraktionsvorstand und gehöre der sogenannten Teppichhändlerrunde an.

Teppichhändlerrunde???

Schummer (lacht): Die heißt in Berlin so und hat auch vorher in Bonn schon so geheißen. Es handelt sich um einen Führungskreis, der über Personalien entscheidet.

Warum haben Sie die Aufgabe in der Arbeitnehmergruppe übernommen?

Schummer: Es wäre auch möglich gewesen, Sprecher für den Bereich Arbeit und Soziales zu werden. Da bist du dann mehr in der Detailarbeit, wenn es zum Beispiel um Gesetzesvorhaben geht. Ich bin Generalist, sehe es als wichtige Aufgabe an, verschiedene Themenbereiche miteinander zu vernetzen.

Als Vertreter der Arbeitnehmergruppe gehören Sie eher zu den linken Parlamentariern der Union. Haben Sie deshalb zum 200. Geburtstag von Karl Marx ein Interview gegeben?

Schummer: Karl Marx war in der Analyse korrekt, in der Therapie aber verheerend. Gleichwohl fußt auch die soziale Marktwirtschaft in der Analyse auf Karl Marx.

Im Berliner Zeitungsinterview haben Sie jüngst erklärt, dass Sie die bisherigen Hilfen für Langzeitarbeitslose — Stichwort Hartz IV — für überholt halten. Was könnte da besser gemacht werden?

Schummer: Hartz ist Geschichte, die Herausforderungen heute sind ganz andere als 2003. Damals hatten wir Millionen von Arbeitslosen, heute haben wir fast Vollbeschäftigung. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass auch Langzeitarbeitslose wieder auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Dazu müssen vernetzte Hilfssysteme entwickelt werden, um etwa über Schuldenberatung, Sucht- oder psychische Therapie Vermittlungshemmnisse abzubauen. Dafür muss Geld in die Hand genommen werden. Solche beschäftigungsbegleitende Hilfen sind viel sinnvoller als ein ungezieltes Maßnahmen-Hopping. Denn auch Menschen mit Handicap sollten auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Chance haben.

Als Beobachter von außen hat man den Eindruck, dass konservative Kräfte in der CDU/CSU auf dem Vormarsch sind - möglicherweise angestoßen von der sogenannten Flüchtlingskrise. Hat Angela Merkel damals einen Fehler gemacht?

Schummer: Angela Merkel hat in einem großartigen Akt der Solidarität die Menschen ins Land gelassen. Zehntausende hatten sich zu der Zeit schon auf den Weg gemacht und standen an der Grenze. Die hätte man nur mit Gewalt stoppen können. Die Entscheidung der Kanzlerin war deshalb notwendig. Dieser Entschluss hat aber auch Lücken im System sichtbar gemacht.

Welche meinen Sie?

Schummer: Zum Beispiel den fehlenden Datenaustausch zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Oder auch das über Jahrzehnte bestehende Arbeitsverbot für Flüchtlinge. Integration ist so nicht möglich. Solche Lücken haben wir zu langsam geschlossen. Wenn wir die Probleme nun aber weiter wirksam bereinigen, werden wir mittel- und langfristig von der Zuwanderung profitieren. Unsere Grundwerte von Toleranz und Meinungsfreiheit, christlich orientiertem Menschenbild — wozu nach meiner Ansicht auch Kreuze in bayrischen Amtsstuben gehören — und Humanismus sind hierbei natürlich nicht verhandelbar.

Werden diese Grundwerte denn von der AfD beachtet?

Schummer: Die ist stark völkisch geprägt und macht mit gezielten Tabubrüchen Politik — nur um anschließend zu erklären: So haben wir es doch gar nicht gemeint. Dabei will die AfD die parlamentarische Demokratie zerschießen. Die reden ja auch nur von Altparteien und Alt-Gewerkschaften. Hier geht es also um eine ganz grundsätzliche Auseinandersetzung.

Es gibt gelegentlich aber auch Forderungen aus der Union, mit der AfD zusammenzuarbeiten.

Schummer: Ich sage dazu nur: Wer sich auf den Misthaufen stellt, fängt selber an zu stinken. Aber es gilt auch weiter das alte Strauß-Wort: Rechts von der Union sollte kein Platz für eine andere Partei sein.

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