Gefängnismuseum: Kurioses aus dem Knast

Das Gefängnismuseum in Anrath gibt Einblicke in den Strafvollzug.

Anrath. Etwa 1000 Besucher gehen Jahr für Jahr in einen Teil des Anrather Gefängnisses. Nach etwa zwei Stunden dürfen sie aber wieder raus. Denn die Rede ist nicht von der Haftanstalt, sondern vom Gefängnismuseum im ehemaligen Direktorenhaus. Von den zwölf Besuchern, die dort jetzt an einer Führung teilnahmen, waren acht Mitglieder der Jungen Union (JU).

Knuth Scheiff aus Anrath hatte den Besuch initiiert. Die JUler fanden’s hochinteressant — sie stellten viele Fragen, nicht nur zur Historie, sondern auch zum aktuellen Strafvollzug.

Thomas Leesker von den „Potthusaren“, die das Museum unterhalten, leitete die Führung. Die Besucher erfuhren, dass der Beschluss zum Bau des Preußischen Gefängnisses vor über 110 Jahren ein Segen für die Anrather war. Ein Orkan hatte für schwere Verwüstungen und einen wirtschaftlichen Niedergang gesorgt. „Der Kreuzbau war damals super modern, die Idee kam aus England“, erklärte Leesker.

Aus dem Fenster der zweiten Etage des Museums blickte die Gruppe derweil auf das leerstehende Frauengefängnis, dessen Schicksal ungewiss ist. Was auch für die benachbarte Männeranstalt gilt: Sollte die Landesregierung grünes Licht für einen Neubau geben, würde auch dieser alte Kreuzbau verschwinden.

Schon heute wird an der Pforte moderne Technik eingesetzt. Thomas Leesker erzählte vom Herzschlagdetektor: „Mit ihm kann festgestellt werden, ob sich in einem Karton ein Gefangener versteckt hat.“ Noch 2008 war einem Gefangenen in einem Karton die Flucht gelungen.

Die Ausbruchssicherheit sei heute sehr hoch: „Das erhöht jedoch die Gefahr der Geiselnahme“, sagte Leesker.

Er zeigte jede Menge Ausbruchswerkzeug. Und einen Expander, aus dem ein Gefangener Pfeil und Bogen gebaut hatte. Der Pfeil, den er abgeschossen hatte, verfehlte den Kopf eines Justizbeamten nur um wenige Zentimeter.

Dieses Exponat zeigte, dass der Job im Strafvollzug gefährlich ist. Durch hohes Aggressionspotenzial fielen heute vor allem Gefangene aus osteuropäischen Ländern auf. „Das war 1996, als ich hier anfing zu arbeiten, noch ganz anders: Damals hatte die italienische Mafia das Sagen“, erinnerte sich Leesker.

Der Besuch zeigt, wozu Menschen, die 23 Stunden am Tag nichts zu tun haben, fähig sind: Da ist eine Haschischpfeife, die im Kern aus einer Glühbirne besteht, ebenso zu sehen wie eine kuriose Kette aus Wäscheklammerfedern oder Waffen aus Seife.

Luxusprobleme haben die Insasssen nicht, auch wenn sie längst Fernsehgeräte nutzen dürfen und Spülklosett haben. „Bis 1966 wurde gekübelt“, erklärte Leesker. Der Toiletteneimer wurden einmal am Tag geleert — wer sein „großes Geschäft“ kurz nach der Entleerung machte, verschaffte sich selbst die nächsten 23 Stunden Haftverschärfung der besonderen Art.

Thomas Leesker räumte mit einem Vorurteil auf: „Häftlingskleidung in Schlafanzugoptik gab es früher ausschließlich für Gefangene, die stationär im Lazarett untergebracht waren. Ansonsten gab es diese Bekleidung nur in Konzentrationslagern.“ Es sei deshalb schon ziemlich makaber, den schwarzweiß gestreiften Anzug als Karnevalskostüm zu wählen.

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