Fundsachen: Schnäppchenjagd für Profis

Ein Besuch bei einer Versteigerung zeigt die teils ungewöhnlichen Motive der Käufer.

Willich. 40 Fahrräder und genauso viele Schnäppchenjäger, die sich am Samstagmorgen vor der Verwaltung am St. Bernhard Gymnasium einfinden. Für jeden ein Rad — das müsste aufgehen, würde man meinen. Wären da nicht die Profis, die mit geräumigen Fahrzeugen zur Fundsachenversteigerung vorfahren, um ein Schnäppchen nach dem anderen zu machen.

Einer dieser Profis ist ein Mann aus Willich, der seinen Namen nicht nennen möchte. Zum einfachen Abtransport der Räder hat er seinen VW-Bus direkt neben der Menschentraube geparkt, die um die zu ersteigernden Fahrräder steht. Während er angriffslustig bietet, bringen seine beiden Söhne die bereits ersteigerten Fahrräder zum Auto.

Ein Damenrad für zwei Euro, ein Mountainbike ohne Sattel für nur einen Euro, ab und zu sind auch höherpreisige Räder dabei. Der Mann ist im Auktionsfieber: „Ich mache mal 40 Euro“, ruft er Auktionatorin Irma Dupke von der Stadt zu. Dupke nimmt erleichtert nur noch wenige Gebote auf, bis das Rad dann für etwas mehr als 60 Euro erneut an den Mann aus Willich geht.

Warum er so viele Räder braucht? „Ich kaufe die vor allem als Ersatzteileträger“, erklärt er. „Wenn man bedenkt, dass schon so eine kleine Glühbirne fünf Euro kostet.“ Bei den Spottpreisen von teilweise unter zehn Euro verwundert die gekaufte Menge an Fahrrädern dann nicht mehr. Am Ende sind es ganze 13 Stück, die der Mann in das Auto und auf die Fahrradhalterung verstauen muss. Millimeterarbeit.

Eng wird es auch im Auto zweier junger Männer, die ebenso eifrig mitbieten und sechs Räder ersteigern. Wozu sie gleich so viele brauchen, wollen sie aber nicht sagen. Neben den Profis sind einige Familien gekommen, die nur Bedarf für ein oder zwei Drahtesel haben. So zum Beispiel zwei junge Mütter, die um ein Kinderfahrrad kämpfen.

Euro um Euro steigt der Preis — bei 30 Euro ist dann Schluss. Während die Verliererin missmutig den Kopf schüttelt, bedankt sich ihre Kontrahentin freudestrahlend bei ihr und schiebt das Fahrrad nicht ganz ohne Stolz über den Parkplatz vor der Verwaltung. „Ist ein Weihnachtsgeschenk für meinen Sohn“, so die Willicherin.

Eine etwas außergewöhnliche Verwendung für die Räder hat Erich Bieber aus Neersen, der mit seinem Enkel gekommen ist. Für 16 Euro hat er zwei moderne Mountainbikes ersteigert. Sie haben einen langen Weg vor sich. „Mein Patenkind in Weißrussland kommt bald in die Schule“, sagt Erich Bieber, der sich in der Tschernobylhilfe Kaarst—Büttgen engagiert. „Deswegen soll er ein Rad bekommen.“

Gerade erst einen Tag vor der Versteigerung habe er von einem Händler 20 Fahrräder günstig gekauft. Sie alle sollen schon bald nach Russland gebracht werden und Kindern mit Stoffwechselerkrankungen aus der Region rund um Tschernobyl als fahrbarer Untersatz dienen.

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