Willich „Frechheit gegenüber den Bauern“

Die Willicher haben ein Herz für die Milchproduzenten. Das wurde beim WZ-Mobil deutlich.

Willich: „Frechheit gegenüber den Bauern“
Foto: Kurt Lübke

Willich. Am Donnerstag waren die Preise bei Aldi Süd und Edeka in Schiefbahn identisch: Der Liter Vollmilch (3,5 % Fett) kostete 46 Cent, die Fettarme (1,5 %) 42 Cent. Das Lebensmittel macht in diesen Tagen deutschlandweit Schlagzeilen: Die Erzeuger klagen, dass sie nicht annähernd kostendeckend produzieren können. Wie denken die Verbraucher am Niederrhein darüber? Die Rollende Redaktion hat sich auf dem Willicher Markt umgehört und ist auf großes Interesse an diesem Thema gestoßen. Dabei wurde schnell deutlich: Das Herz der Mehrheit schlägt für die Bauern.

„Ich bin der Meinung, dass wir alle mehr für die Milch zahlen sollten - zack, fertig, aus.“ So bringt es Klaus Sigmund auf den Punkt. „Den Discountern sollte die Möglichkeit des Preisdiktats genommen werden.“ Sollten die Preise nicht wieder steigen, hätte das seiner Ansicht nach schlimme Folgen: „Wenn die Milchbauern vor die Hunde gehen, werden wir das alle auf sehr unangenehme Art und Weise zu spüren bekommen.“

Maria Heimisch betont, dass sie gerne mehr bezahlen würde. „Es ist nicht richtig, dass die Landwirte 20 Cent bekommen und die Milch im Laden 50 Cent kostet — wo sind die übrigen 30 Cent geblieben?“ Liese Müller stört sich am Verhältnis von Aufwand und Ertrag. „Es ist sehr schlecht, dass die Bauern für ihre viele Arbeit nur so wenig Geld bekommen.“

Markthändlerin Wulla Kangas spricht gar von einer „Frechheit gegenüber den Bauern“. Sie selbst trinke zwar keine Milch, finde aber, dass Käufer ruhig mehr bezahlen sollten. Ebenfalls dieser Meinung ist Regina Zapka, die ihre Milch „im klassischen Supermarkt“ kauft.

Auch das Ehepaar Nalda und Michael Schäfer hat ein Herz für die Landwirte. „30 Cent mehr pro Liter wären auf jeden Fall okay“, sagt Michael Schäfer. Und seine Frau ergänzt: „Was sollen die Erzeuger sonst machen? Es können ja nicht alle ein Bauerncafé eröffnen.“

Rüdiger Bisping ist mit einer Satteltasche voller Bio-Milch auf den Markt geradelt, gekauft in Willich. Wie die Bauern für normale Milch bezahlt würden, sei „ruinös“. Er selbst würde freiwillig bis zu zwei Euro ausgeben. Schließlich handele es sich um ein hochwertiges und gesundes Lebensmittel.

Mit dem Rad kommt auch die langjährige SPD-Politikerin Renate Tippmann. Für die 81-Jährige ist es unfassbar, dass jetzt die Milchbauern mit kleinem oder mittlerem Bestand am Hungertuch nagen. Sie gibt auch den Discountern und den Verbrauchern, „die kommentarlos das kleine Geld hinblättern“, eine Mitschuld.

Einige CDU-Politiker treffen sich gerade draußen vor einem Café. Darunter die Ratsfrau Barbara Jäschke. Sie sagt, dass die Bauern mehr Geld bekommen müssten, dass sie selbst auch schon mal 1,05 Euro für die Milch aus der hiesigen Region gezahlt habe.

Karl-Wilhelm Dicker gönnt sich einen Kakao. Dass mittlerweile ein Liter Wasser mehr koste als der Liter Milch, könne er nicht nachvollziehen. Seiner Auffassung nach trage nicht der Milchbauer die Schuld an der Überproduktion, sondern der Staat. Dicker meint, dass man teilweise auch den russischen Importstopp landwirtschaftlicher Erzeugnisse, worunter schließlich auch die Milch falle, mit zu verantworten habe. „Der Staat soll kontrollieren und regulieren, aber sich da jetzt nicht mit Subventionen einmischen, der Markt reguliert das selbst“, davon ist Marcos Cavichiola überzeugt. Der Brasilianer aus Kevelaer verkauft seit 2000 auf dem Willicher Markt unter anderem Schafs- und Ziegenkäse, Oliven, getrocknete Tomaten oder natives Kokosöl.

Daniel Kamper schüttelt nur den Kopf, wie sich das Kaufverhalten vieler Verbraucher verändert habe; er nennt Beispiele: „Mittlerweile wird mehr für mutmaßlich hochwertiges Katzenfutter bezahlt als für Hackfleisch. Oder mehr für das Motorenöl ausgegeben als für das Olivenöl im Salat.“

„Ich würde auch 80 Cent für den Liter bezahlen“, sagt Renate Hannen. „Ich kaufe nur laktosefreie Milch für derzeit 1,19 Euro“, ergänzt Anneliese Weber.

„Es darf nicht mehr so weitergehen, dass nur billig, billig, billig die Maxime sein kann“, sagt Hans-Jürgen Heims. Er gibt aber auch den Landwirten eine Teilschuld, die in der Vergangenheit ihre Höfe und den Viehbestand ständig erweitert hätten.

Kritische Töne in diese Richtung kommen ebenfalls von Maria Kristek aus Oberfranken, die derzeit in Willich zu Besuch ist. Lächelnd fragt sie: „Haben Sie schon einmal einen hungrigen und dünnen Bauern gesehen?“ Sie könne das Wort Überproduktion gar nicht mehr hören. „Warum baden Landwirte provokativ in der Milch oder produzieren quasi für den Gully, anstatt daraus zum Beispiel Milchpulver für die armen Regionen dieser Welt zu machen?“

Helga Lengner hat zwar wenig Zeit, aber die nutzt sie für ihr Statement: „Die Bauern bekommen zu wenig - Punkt.“ Ebenso kurz fasst sich Volker Schmitz: „Die deutschen Milchbauern werden mal wieder ganz schön über den Leisten gezogen.“

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