Ferienalphabet – W wie Wald Jäger sorgt sich um kranke Bäume in Tönisvorst

Tönisvorst. · Die Tönisvorster Bäume kämpfen mit der Trockenheit der vergangenen beiden Sommer. Am 25. Juli 2019 war die Stadt mit 41,2 Grad Celsius gar der heißeste Ort Deutschlands. Wie geht es dem Wald ein Jahr danach?

 Revierförster Marco Müller steht in der Rottheide in Vorst. Er ist froh, dass es in diesem Sommer wenigstens ein bisschen mehr Regen gibt als in den beiden vergangenen.

Revierförster Marco Müller steht in der Rottheide in Vorst. Er ist froh, dass es in diesem Sommer wenigstens ein bisschen mehr Regen gibt als in den beiden vergangenen.

Foto: Norbert Prümen

(emy) Marco Müller steht in der Rottheide zwischen Bäumen, Regen prasselt auf seine Schultern. „Es ist zu wenig“, sagt der Revierförster. Er fährt mit der Schuhsohle über den feuchten Waldboden, nur knapp darunter ist der bereits wieder staubig. „Der Boden ist so ausgehärtet, da muss noch ganz viel Regen nachkommen, damit das Wasser überhaupt in der Erde ankommt und bleibt.“

Müllers Alltag ist derzeit ziemlich trostlos. Er ist damit beschäftigt, abgestorbene Bäume zu fällen und Totholz zu entsorgen. Normale Forstwirtschaft sei nicht möglich, er halte die Schäden klein und sorge für Verkehrssicherheit, sagt er: „Jetzt etwas zu pflanzen, bringt ja nichts, weil es eh wieder sterben würde.“ Die Pflanzenpreise seien auf das Zwei- bis Vierfache gestiegen, Baumschulen kämen bei der großen Nachfragen kaum hinterher. Müller: „Es ist eine traurige Angelegenheit.“

 Diesen Rotbuchen in der Rottheide geht es vergleichsweise gut. Dank einer Durchforstung haben sie wenig Konkurrenz durch andere Bäume.

Diesen Rotbuchen in der Rottheide geht es vergleichsweise gut. Dank einer Durchforstung haben sie wenig Konkurrenz durch andere Bäume.

Foto: Emily Senf

Zu seinem Revier gehören Waldgebiete zwischen Moers im Norden und der Stadt Viersen im Süden sowie von Oedt im Westen bis Düsseldorf im Osten, gut 485 Quadratkilometer Fläche insgesamt. Etwa sieben Prozent davon sind Wald, die Bäume sind im Schnitt 40 bis 60 Jahre alt. Überall gibt es die gleichen Probleme: Hitze, Dürre und Folgeschäden wie beispielsweise die Rußrindenkrankheit, ausgelöst durch einen Pilz, der geschwächte Ahornbäume befällt.

Bäume werden weißfaul
und brüchig

 Durch Trockenheit und Hitze sind die Bäume anfälliger für Krankheiten.

Durch Trockenheit und Hitze sind die Bäume anfälliger für Krankheiten.

Foto: Emily Senf

Zu sehen sind die Folgen der Sommer 2018 und 2019 mit langen Trockenperioden und extrem heißen Tagen auch für Laien: Die Blätter der Bäume sind kleiner, sie treiben weniger aus. Von „wenig Kronprozent“, spricht Müller vom Landesbetrieb Wald und Holz. Der Zustand beispielsweise der Buchen in der Kehner Heide und im Forstwald sei „so katastrophal, dass ich 50 Prozent des Bestands rausnehmen muss“, sagt der Förster. Ganze Wälder zu bewässern, sei nicht möglich.

Durch den Borkenkäfer sterben „Fichten überall komplett weg“. Die Rußrindenkrankheit macht Bergahorn und Esche zu schaffen. Die Bäume werden weißfaul und brüchig; so sehr, dass das Holz beim Fällen der Bäume völlig auseinanderbricht, berichtet Müller. Auf einer Fläche in der Nähe des Real-Marktes in St. Tönis habe der Förster vor rund zweieinhalb Jahren eine Ersatzpflanzung vorgenommen und auf einem Hektar Fläche Stieleichen und Hainbuchen gepflanzt. Die Trockenheit setze ihnen zu, dadurch würden sie kaum wachsen. „Sie dümpeln vor sich hin“, sagt Müller.

2018 verzeichnete die Messstelle in St. Tönis eine Niederschlagsmenge von 35,3 Millimeter im Juni, 6,5 Millimeter im Juli und 46,1 Millimeter im August. 2019 waren es 61,1 Millimeter im Juni, 19,4 Millimeter im Juli sowie etwa 50 Millimeter im August. Zum Vergleich: In den Jahren zuvor wurden im Sommer Monatssummen von mehr als 100 Millimeter erreicht. Noch 2016 war es sogar so verregnet, dass sich kleine Seen in den Wäldern gebildet hätten, erinnert sich Müller: „Damals sind Bäume abgestorben, weil es zu nass war.“ Auch 2020 hat sehr trocken angefangen. Im April fielen nur drei Prozent des sonst üblichen Niederschlags, berichtet Müller. 10,3 Millimeter waren es in Tönisvorst.

2019 wurde in Tönisvorst
ein Rekordwert gemessen

Für Mai verzeichnete die Messstelle 16 Millimeter, für Juni 71 Millimeter und für Juli bislang 44,4 Millimeter. Ines Wiegand, Meteorologin beim Deutschen Wetterdienst, spricht von einem für die Region „sehr normalen Sommer“. Stabiles, sonniges Wetter werde unterbrochen von Niederschlägen in Schauerform. Extrem hohe Temperaturen seien aktuell nicht zu erwarten.

Am 25. Juli 2019 machte Tönisvorst bundesweit Schlagzeilen, als in der Apfelstadt ein Spitzenwert von 42,5 Grad gemessen wurde; in den kommenden Tagen werde es heiter, mit Höchstwerten von 25 Grad, sagt Wiegand. Auch Müller sagt: „Die Situation ist besser als in den vergangenen beiden Jahren.“ Da sich die Folgen immer erst im Jahr darauf zeigten, rechne er für 2021 mit weniger toten Bäumen. Doch wie der Sommer weiter verlaufe, sei nicht abzusehen. „Die Wetterextreme werden mehr und die Phasen länger. Vielleicht haben wir irgendwann sogar eine Regenzeit, wer weiß das
schon.“

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