Familienzentrum Villa Gänseblümchen: 70 Kinder, elf verschiedene Sprachen

Sprachexpertin Iris Beckers versteht es, in der Eins-zu-eins-Betreuung spielerisch Sprachimpulse zu setzen.

Tönisvorst. Ein Weidenkorb voller Alltagsgegenstände. „Könntest Du mir helfen, die Gegenstände darin zu benennen?“, fragt Iris Beckers (44) einen Dreijährigen. Iris Beckers ist Sprachexpertin im städtischen Familienzentrum Villa Gänseblümchen.

Gemeinsam nehmen sie Gegenstände aus dem Korb. Zum Vorschein kommen ein Glas, eine kurze Hose, eine Gabel. Ganz viele Alltagsgegenstände, die der Dreijährige in seiner Muttersprache kennt, wofür ihm aber im Deutschen die Wörter oder aber der richtige Artikel fehlen — noch.

70 Kinder, elf Sprachen: Die Villa Gänseblümchen ist Schwerpunkt-Kita im Rahmen der „Offensive Frühe Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mit der Initiative unterstützt das Bundesministerium Kinder mit sprachlichen Förderbedarf durch eine in den Kita-Alltag integrierte, altersgerechte Förderung.

Von März 2011 bis Ende 2014 stellt der Bund 400 Millionen Euro zur Verfügung um zirka 4000 Einrichtungen — insbesondere in sozialen Brennpunkten — zu fördern. Durch das Budget war es der Villa Gänseblümchen möglich, die Halbtagsstelle der Sprachexpertin einzurichten.

Iris Beckers widmet ihre ganze Aufmerksamkeit der Sprache. Das aber nicht nur bei den Kindern. Denn die können nur das lernen, was die Erwachsenen ihnen vorsprechen: „Sprachimpulse im Alltag setzen, für eine sprachanregende Umgebung sorgen und immer wieder den Blick darauf richten, wie wir Erzieher, aber auch die Eltern mit den Kindern sprechen.“

„Es ist sehr wichtig, dass Kinder in ihrer eigenen Muttersprache sicher sind“, sagt Elke Roulands-Kuckuk, Leiterin der Villa. „In unserer Primärsprache entwickeln wir unsere eigene Identität.“ Damit auch die zweite Sprache vertraut wird, gibt es in der Kita durch die Sprachexpertin eine Eins-zu-eins-Betreuung — wie mit dem Korb. Dabei wird das Kind nicht aus seiner Gruppe genommen, sondern die Begleitung findet in der Gruppe statt.

„Es ist beeindruckend, wie schnell die Kinder in der Eins-zu-eins-Betreuung mit diesem wertschätzenden Ansatz — auch gerade gegenüber ihrer eigenen Muttersprache — lernen“, ergänzt Roulands-Kuckuk. Die Einrichtung hat bereits zu einem internationalen Vorlesetag eingeladen, an dem Mütter und Väter in der jeweiligen Landessprache den Kindern vorgelesen haben.

Sprachanlässe im Alltag gebe es genug: „Das Frühstück, ein Einkauf oder ein Spaziergang im Park“, sagt Beckers. „Es ist für ein Kind viel spannender und einprägsamer, einen Baum anzufassen, als ihn anhand eines Bildes erklärt zu bekommen. Durch Sehen, Tasten, Riechen kann das Kind mit allen Kanälen erfassen, was ein Baum tatsächlich ist und wird es sich leichter merken.“ Beim Einkaufen könne man das Kind auffordern, drei Bananen und fünf Tomaten zu holen. „Das sind wunderbare Sprachanlässe und man kann dabei auch noch zählen üben.“

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