Künstler aus der Ukraine stellt in Willich aus Die Reinkarnation verbrannter Bilder

Willich · In den Flammen von Mariupol verbrannte der Großteil von Eugene Sensualis‘ Bildern. In Deutschland begann der Ukrainer, verlorene Arbeiten in neuer Intensität aufleben zu lassen. In der Alten Schmiede Blassen stellte er nun aus.

Eugene Sensualis, hier mit seiner Frau Angelika, zeigte seine Arbeiten am Samstag in der Alten Schmiede Blassen in Willich. Immer wieder Thema in seinen Bildern ist die Stadt Mariupol.

Eugene Sensualis, hier mit seiner Frau Angelika, zeigte seine Arbeiten am Samstag in der Alten Schmiede Blassen in Willich. Immer wieder Thema in seinen Bildern ist die Stadt Mariupol.

Foto: Claire Chimier

Der Schmerz müsste tief sitzen. Doch Eugene Sensualis spricht nicht vom Verlust seiner Bilder, die – wie sein Haus – in den Flammen von Mariupol untergingen. Stattdessen lässt er den Übersetzer berichten, wie er mit Kriegsbeginn anfing, sein Werk zu digitalisieren, um es wenigstens so erhalten zu können. „Aufsteiger aus der Asche“ heißt die Ausstellung, die am Samstag für einen Tag in der Alten Schmiede Blassen zu sehen war.

Unabhängig von Motivwahl und Ausdruck gab die Präsentation eindrucksvoll Einblick in drei Zustände eines Schaffens. Da waren wenige Beispiele geretteter Arbeiten, Plakate von Bildern, die der Künstler vor dem Verlust digitalisiert hatte, und schließlich neue Arbeiten in Nachbarschaft zu den Drucken der Vorgänger. Keines der neuen Gemälde ist Eins zu Eins nachempfunden, sondern bei verwandtem Motiv in Technik und Ausdruck vollkommen eigenständig. Die Alte Schmiede bot den stimmigen Rahmen für den Werkstattcharakter dieser Zusammenstellung, die Aufbruch spiegelt, Erinnerungen an Mariupol, märchenhafte Poesie und Menschlichkeit birgt. Trotz erlebter Schrecken wagt der Künstler sogar verschiedentlich den Ausdruck von Leichtigkeit. Sein Werk solle Positives bergen, so Sensualis.

Kuratorin des Projekts ist Monika Lenninghaus aus dem Sauerland. Dort fand der Künstler nach der Ankunft in Deutschland seine Frau, die Tochter und beide Enkel wieder. Über deren Schicksal hatte er während der Kämpfe um Mariupol nichts erfahren können.

In Willich zeigte er sehr unterschiedliche Facetten. Unter den Drucken von verlorenen Bildern waren Frauenporträts, geschaffen aus der Erinnerung an Augenblicke. Das Plakat zur verbrannten Grafik „Verliebte Teekannen“ ließ in der surrealen und witzigen Gestaltung die Vorstellung von der Persönlichkeit der Dinge erkennen. Das sei das Kind in ihm, kommentierte der Ukrainer. „Dualismus der Persönlichkeit“ hieß eine verbrannte Zeichnung in roter Tinte auf Pappe. Erst auf dem zweiten Blick kristallisierten sich hier aus frontal dargestelltem Gesicht weitere Profilansichten heraus. Im neuen Bild ist das Motiv im Diptychon malerisch in Acryl auf Leinwand variiert. Haptisch aufgetragene Linienspiele wirken in den Raum. Das Nachbarbild mit der surrealen Bildkomposition flutender Sternenhimmel und spielerisch platzierter Häuschen kontrastierte dazu in traumgleicher Ausstrahlung. Wie alle Gemälde der Ausstellung war es nicht gerahmt, so dass sich die Materialität des „Wandteppichs“ entfalten konnte. Er habe im Keller seines Hauses auf dem Bild geschlafen, erzählt der Künstler. Auch andere Leinwände aus der Sowjetunion hätten der Familie unter dem Beschuss der Stadt als Wärmedämmung gedient. Der Text zu einem anderen Gemälde verrät, das hierfür Bilder der Kindheit wieder zum Leben erweckt wurden, um von der harten pragmatischen Welt in ein Märchen zu gehen.

Immer wieder Thema ist Mariupol. Der Name der Stadt ist eingeschrieben in ein Bild mit Schiffen und sich im Wasser spiegelnden Häusern. „Die Stadt ist vernichtet. Geblieben ist die Erinnerung, wie sie sich im Wasser spiegelt.“ Auf dem geretteten Bild habe sich Asche aus dem Schutt der Stadt erhalten. Er habe diese Asche wie auch den Staub der Reise konservieren lassen, so Sensualis. Im Auftrag der in Willich lebenden Französin Claire Chimier malte er in Anlehnung an den Maler Eugène Delacroix die ukrainische Freiheitskämpferin „Liberté“. Das Bild scheint Blutspuren aufgesogen zu haben, zeigt Fenster zerstörter Häuser, doch vor allem den entschiedenen Kampf für die Freiheit.

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