Adventsserie: Die WZ öffnet Türen Ein bisschen Advent hinter Gittern

Im Frauengefängnis ist Deko erlaubt. Vieles ist freundlich gestaltet, doch geschlossene Türen und strikte Regeln setzen Grenzen.

Adventsserie: Die WZ öffnet Türen: Ein bisschen Advent hinter Gittern
Foto: Friedhelm Reimann

Anrath. Drei Türen bis zum Arbeitsplatz — das ist sicherlich nicht so selten. Doch dafür jedes mal einen etwa zehn Zentimeter langen Schlüssel zu zücken schon. Und wenn Heike Kättner abends nach Hause geht, hat sie im Laufe ihrer Schicht an die 300-mal eine Tür mit Schlüssel geöffnet. Ihr Arbeitsplatz: das Frauengefängnis in Anrath. Zusammen mit Gefängnischefin Charlotte Adams-Dolfen öffnete die Leiterin des allgemeinen Vollzugsdienstes diverse Türen für die WZ. Die übrigens erst durch fünf von ihnen gehen musste, bevor sie Kättner zur Begrüßung die Hand geben konnte.

Adventsserie: Die WZ öffnet Türen

Als „Chefin für alle Uniformierten“ umschreibt Kättner ihr Arbeitsfeld. Sie ist seit 25 Jahren im Gefängnis beschäftigt. Ihre Chefin wiederum, Charlotte Adams-Dolfen, ist erst seit kurzem in Anrath, zuletzt war die Regierungsdirektorin nämlich stellvertretende JVA-Leiterin im Aachener Männergefängnis. Fast 800 Häftlinge waren dort untergebracht, in Anrath gibt es 264 Haftplätze. Aber nicht nur bei der Größe gibt es gravierende Unterschiede. „Hier ist es so sauber und es riecht besser“, hat sie schon bei ihrem ersten Besuch in der einzigen eigenständige Frauenhaftanstalt NRWs festgestellt. Und für die Sauberkeit sind Gefangene zuständig.

Die meisten von ihnen sind in der geschlossenen Abteilung untergebracht. Dort gibt es 198 Plätze. Geschlossen heißt 23 Stunden am Tag Tür zu, mit sich selbst allein auf in der Regel zehneinhalb Quadratmetern. Es sei denn, die Frauen haben eine Arbeit. „Es gibt eine Arbeitsverpflichtung“, sagt Adams-Dolfen. Oder die Frauen machen eine Ausbildung in einer der Werkstätten, lernen für einen Haupt- oder Realschulabschluss oder nehmen an einem der Freizeitangeboten teil. In der sogenannten Freistunde können sie sich außerhalb ihrer Zelle bewegen, beispielsweise bei einem Spaziergang im Hof mit anderen.

Dagegen haben die Frauen, die im offenen Vollzug leben, ihre Zellen außerhalb der Knastmauern. Sie verlassen morgens die Anstalt, um draußen zu arbeiten, kommen abends aber wieder zurück, es sei denn, sie haben Urlaub. Platz in dieser Maßnahme gibt es für 66 Frauen.

Und dann gibt es noch die Frauen, die einen eigenen Schlüssel haben. Dort können sie selbst zwischen 6 und 21 Uhr entscheiden, ob sie ihre Zelle verlassen wollen oder nicht. Zur Verfügung stehen eine Küche und ein Gemeinschaftsraum, in dem sich die Frauen aufhalten und beispielsweise fernsehen können. Hier handelt es sich um die sozialtherapeutische Abteilung.

Die freundlich gestalteten Räume, die Farbgebung in Apricot und Terrakotta lassen das Innenleben des Gefängnisses fast wie ein Tagungshotel aussehen, wären da nicht die zwar großen, doch vergitterten Fenster, die vielen abschließbaren Türen, die Justizvollzugsbeamten. Was wie ein Knast light aussieht, beherbergt in keiner Weise nur Frauen, die wegen leichter Vergehen hinter Schloss und Riegel sitzen. „Neben vielen Drogen-Delikten, wohl wegen der Grenznähe, sitzt hier alles von Schwarzfahren bis Mord, auch mit zweimal Lebenslänglich“, sagt Kättner. Die Gefangenen sind zwischen 20 und 80 Jahren alt, so Adams-Dolfen. Die meisten der Frauen befänden sich aber im mittleren Alter.

Ein paar Adventskränze, die von der hauseigenen Gärtnertruppe gebunden und verziert wurden, stehen bereits auf ein paar Tischen. „Und die Bäume kommen auch noch“, sagt Adams-Dolfen. Denn auch im Gefängnis ist die Weihnachtszeit eine besondere und für viele auch schwere Zeit. Bekommt man da nicht Mitleid? „Dann wären Sie hier falsch“, sagen beide Frauen fast unisono. „Mitgefühl wäre der bessere Begriff“, so Kättner. „Für Mütter ist es hier drin dann besonders schwer. Wenn man selbst Mutter ist, kann man das nachempfinden“, sagt sie. In dieser Zeit nutzen einige der Insassen die Möglichkeit auf Familienbesuch. Die Angehörigen und vor allem die Kinder dürfen einmal im Monat für vier oder zweimal für zwei Stunden kommen. Für diese Treffen gibt es Extrazimmer, die wie kleine Appartements mit Bad, Küche und Wohnraum eingerichtet sind — inklusive Kinderspielzeug und Wandbemalung mit Motiven aus dem Zeichentrickfilm „Madagaskar“. Dazu haben die Frauen in den Werkstätten kleine Geschenke wie Stofftiere, Kulturbeutel und Taschen genäht. Diese konnten sie am vergangenen Wochenende beim hausinternen Weihnachtsbasar kaufen, um sie dann an Familienmitglieder zu verschenken.

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