Theater in Neersen Dieser Pater ist ein Schlitzohr

Michael Schanze und seine Mitstreiter glänzen bei den Schlossfestspielen in einer kultigen Krimi-Komödie.

Neersen. Oh Theaterbesucher, gehst Du nach Neersen: Vergiss die Bibel nicht! Dieser gute Rat sei allen gegeben, die in den kommenden Wochen einen Besuch bei „Pater Brown“ planen. Denn der wackere Gottesmann aus der Krimi-Komödie nach G.K. Chesterton übermittelt seine Lebensweisheiten gerne in Zitaten aus der Heiligen Schrift. Ob aber die vielen Verweise auf die entsprechenden Stellen bei Matthäus, Lukas und Markus immer so ganz genau stimmen, bezweifelt nicht nur des Paters scharfzüngige Haushälterin.

Theater in Neersen: Dieser Pater ist ein Schlitzohr
Foto: Friedhelm Reimann

Spätestens jetzt wird klar: Der katholische Geistliche mit dem „Krimi-Fimmel“ (die Bücher lässt er bei der Ankunft in seinem neuen Pfarrhaus auf der Isle of Man gleich kistenweise anschleppen) ist ein Schlitzohr! Auf den ersten, flüchtigen Blick kommt er als pausbäckiger Naivling daher, der nur an leckerem Kuchen und einer guten Tasse Tee mit reichlich Zucker und noch mehr Milch („damit man den vielen Zucker nicht sieht“) interessiert ist. Doch wie er mit wenigen Blicken die verbotene Liebe eines jungen Paares durchschaut, um es dann liebevoll unter seine Fittiche zu nehmen, das hat nichts mit Naivität, aber ganz viel mit Lebensklugheit zu tun. Was erst Recht gilt, als er so ganz nebenbei einen schweren Diebstahl sowie einen brutalen Mord klärt — und dabei die nächste Strafversetzung demütig in Kauf nimmt.

Michael Schanze - als Pater Brown auf den Spuren von Heinz Rühmann
20 Bilder

Michael Schanze - als Pater Brown auf den Spuren von Heinz Rühmann

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Fernseh-Legende Michael Schanze spielt diesen listigen Geistlichen bei den Schlossfestspielen mit heiterer Leichtigkeit. An Ottfried Fischer, der den „Pfarrer Braun“ im deutschen Fernsehen verkörpert, erinnert höchstens die füllige Figur unter der schwarzen Soutane. Stärker sind die Bezüge zu Heinz Rühmann (der den Pater in den Verfilmungen der 60er Jahre in Deutschland zur Kultfigur gemacht hat) und zu Fernadel. So wie dieser einst als Don Camillo redet auch der Pater Brown aus Neersen gerne mit seinem Herrgott — und ist dabei manchmal ganz schön respektlos.

Dabei bleibt Schanze jederzeit Schanze. Kleine Unsicherheiten zu Beginn überwindet der 68-Jährige souverän, danach übernimmt er das Kommando — und das nicht nur auf der Bühne. Dem amüsierten Premiere-Publikum auf der ausverkauften Tribüne sagt er, wann „Zeit für ein Päuschen“ ist. Und wenn sein Auftritt an falscher Stelle von Applaus unterbrochen wird, verrät er am Ende seines Textes: „Jetzt dürfen Sie!“

Schanze steht jederzeit im Mittelpunkt der pointenreichen Aufführung, deren Witz machmal ganz bewusst zum schlichten Schenkelklopfer wird. Regisseur Jan Bodinus lässt aber auch dem übrigen Ensemble Raum zur Entfaltung.

So spielt Bettina Dornheim wunderbar energisch die Haushälterin Mrs. Miller. Sarah Elena Timpe (bekannt aus der TV-Serie „Sturm der Liebe“) ist eine frische, sympathische Sophie Gladwell. Hartmut Scheyhing glänzt in einer Doppelrolle — und ist dabei als bärtiger Fischer kaum zu erkennen. Sven Post als Inspektor Slack erinnert schließlich stark an den trotteligen Kollegen Clouseau aus dem „Pink Panther“ — dessen Film-Musik nicht zufällig in die Handlung eingebaut wird.

Es gibt viele solcher Bezüge zu den Krimi-Komödien der 50er und 60er Jahre. Schon der obligatorische Hinweis auf das Ausschalten der Handys zu Beginn weckt Erinnerungen an den Edgar-Wallace-Vorspann. Die unverwechselbare Pater-Brown-Musik von Martin Böttcher fehlt nicht — und Michael Schanze selbst stimmt die Miss-Marple-Melodie am elektrischen Klavier an. Zu all’ dem passt perfekt die Ausstattung von Silke von Patay mit altem, schwarzen Telefon, Geheimtür im Bücherregal und einer Leiche, bei deren Anblick auf den ersten Blick klar ist: „Selbstmord kann man ausschließen.“ Mehr soll an dieser Stelle aber nicht verraten werden.

Alles in allem ist „Ein Fall für Pater Brown“ beste Unterhaltung im kultigen Stil der 60er-Jahre-Krimis. Eine Bibel sollte man bei einem Besuch vielleicht aber dabei haben.

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