Der „Dorfsheriff“ geht

18 Jahre war Heribert Beutler Bezirksbeamter der Polizei in St. Tönis. Jetzt freut er sich auf den Ruhestand.

St. Tönis. Der Blick in die eigene Zukunft stimmt ihn zufrieden, dennoch fällt das Loslassen offenbar nicht ganz leicht: 38 Jahre war Heribert Beutler Polizist, 18 davon „Dorfsheriff“ in St. Tönis. Jetzt geht er in den Ruhestand, mit einem Rucksack voller Erinnerungen. Woran denkt er gern? Was würde er am liebsten vergessen? Mit der WZ schaut der Fast-Pensionär zurück.

„Ich bin immer dorthin gegangen, wo keiner sonst hinwollte“, erzählt der gebürtige St. Huberter. Neue Leute kennenlernen, neue Türen sehen. 1982 landete er bei der Kreispolizei. Schön war nicht alles, was er von Berufs wegen zu sehen bekam. Da waren die ersten Rauschgift-Toten im Kreis. „Das war in Schiefbahn“, erinnert er sich. „Wir ahnten überhaupt nicht, wie groß das Drogenproblem war. Über 100 Menschen waren alleine in diesen Fall verwickelt.“

1995 kam er nach St. Tönis. „Ist die Bezeichnung Dorfsheriff korrekt? „Aber ja“, lacht Beutler. „Das ist doch ein Kompliment.“ Kurz waren die Wege hier, erinnert er sich. Als die Polizei das Gebäude an der Marktstraße verlassen musste, habe der damalige Bürgermeister Albert Schwarz ganz schnell die Räume in der Verwaltungsstelle an der Bahnstraße organisiert.

Für seinen Job in der Apfelstadt hat Beutler fast nur lobende Worte. „Man kennt sich, fast jeder grüßt, alle wissen, wo sie dran sind.“ Da gab’s dann auch mal Lob von einer Stelle, von der er es niemals erwartet hätte. „Das war jemand, den ich öfter verhaften musste. Der Mann hat sich anschließend bei mir bedankt, weil ich so fair zu ihm gewesen sei. Und hat das dann sogar meinem Chef geschrieben“, erzählt der 62-Jährige.

Morgens legte er sehr zeitig los. „Wir wollten ja auch den Schulweg überwachen.“ Klar, auch das sei ein Kampf gegen Windmühlenflügel: Autofahrer, die zu schnell sind, Kinder, die kein Licht am Rad haben, gegen die Einbahnstraße fahren, und, und, und. „Aber für jeden Unfall, den sie vermeiden, hat es sich gelohnt.“ Da ist Beutler sicher.

Gab’s problematische Seiten? „Na klar, besonders erschreckend war es immer, wenn ein Kind beteiligt war. Und man womöglich bei den Eltern erklären muss, dass es ums Leben gekommen war.“ Konkret erinnert sich Beutler daran, dass er im Fall der getöteten Nicole Krumbholz als einer der ersten am Fundort war. Einmal wurde eine vermisste Frau gesucht.

„Der Kollege in der Suchkette direkt neben mir hat sie gefunden.“ Und weil’s früher nach solch seelischen Belastungen noch keine psychologische Betreuung gab, war man auf die Kollegen angewiesen. Auch Notfallseelsorger wurden erst später eingesetzt.

Aber auch viele positive Momente blieben hängen. Die, in denen Lebensberatung gefragt war. „Wenn zum Beispiel Männer gefragt haben, wie hoch ein Bußgeld ausfällt, wenn etwa die Tochter geblitzt wurde. Oder Mütter fragten, was der Sohn mitbringen müsse, wenn er Polizist werden wolle.“ Oft habe er einen Ansprechpartner vermitteln können, sagt Beutler. Also doch ein Stück heile Welt in St. Tönis? „Definitiv“, sagt der Noch-Polizist.

Was bleibt? Wie wird er seine Freizeit künftig gestalten? „Ich werde auf jeden Fall viel mit dem Fahrrad fahren. Vielleicht lege ich mir ein E-Bike zu.“ Verstärken will er auch sein Hobby, die Fotografie. Hier hat er sich die Natur als „Model“ ausgesucht.

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