Interview mit Autor Ronald Reng „Langsames Laufen ist keine Schande“

Schiefbahn · In seinem Buch „Warum wir laufen“ beschreibt der erfolgreiche Autor Ronald Reng unterschiedliche Motivationen, diesen Sport auszuüben. Demnächst ist er in der Praxis eines Orthopäden in Schiefbahn zu Gast.

 Für das Buch „Warum wir laufen“ war Autor Ronald Reng so etwas wie sein eigenes Versuchskaninchen.

Für das Buch „Warum wir laufen“ war Autor Ronald Reng so etwas wie sein eigenes Versuchskaninchen.

Foto: Peter von Felbert

Buchautor und Sportjournalist Ronald Reng ist für seine Bücher im Bereich Fußball bekannt und schon mehrfach mit Preisen ausgezeichnet worden. In Deutschland und auch international haben unter anderem seine Biografie über Robert Enke und „Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga“ für Furore gesorgt. In seinem jüngsten Werk hat sich Reng nicht dem Fußball, sondern dem Laufen gewidmet. In „Warum wir laufen“ beschreibt er die verschiedenen Motivationen, diesen Sport auszuüben. Dabei geht es auch um ihn selbst: Als guter Mittelstreckenläufer in seiner Jugendzeit und später „eher schlechter Fußballtorwart“ (eigene Angabe) hat er sich nach einer jahrelangen Laufpause wieder ans Laufen gewagt. Um diese Erfahrungen geht es demnächst bei einer Lesung in Schiefbahn. Am 6. Februar ist Reng in der orthopädischen Praxis von Dr. Guido Mayer zu Gast (siehe Info-Kasten). Vor diesem Termin hat der Autor der WZ ein Interview gegeben.

Herr Reng, im Zusammenhang mit Ihrem Buch ist diese Einstiegsfrage nicht wirklich originell, aber ich stelle sie trotzdem: Warum laufen wir denn?

Ronald Reng: Manche laufen, um danach ohne Gewissensbisse eine halbe Torte essen zu können, andere laufen, um festzustellen, ab wann es wehtut – die Leute laufen aus den unterschiedlichsten Gründen. Aber wenn wir versuchen, den einen großen Grund herauszustellen, dann ist es wohl der folgende: Laufen ist der menschlichste Sport. Und zwar menschlich in dem Sinne, dass wir das schon immer gemacht haben. Laufen ist die Urbewegungsart des Menschen. Und wenn der Mensch einen gewissen Fitnessgrad erreicht hat, hat er offenbar auch eine große Freude daran.

Im Kern ist Laufen also auch nicht so kompliziert.

Reng: Das spielt eine Rolle. Man kann ja eigentlich überall laufen. Für mein Buch habe ich auch eine Läuferin begleitet, die in der Arktis lief. Andere laufen an noch verrückteren Orten: auf einem Laufband in einem fensterlosen Raum namens Fitnessstudio. Es gibt wohl keinen Ort, an dem man nicht laufen kann.

Sie sind durch dieses Buchprojekt wieder zu dem Sport gekommen. Sind Sie heute noch dabei? Haben Sie das Laufen beibehalten?

Reng: Ja. Es ist der wahrscheinlich größte Erfolg des Buches, dass ich dabei geblieben bin. Ich habe vor etwa drei Jahren wieder mit dem Laufen angefangen. Und ich laufe heute noch mit einer gewissen Zufriedenheit. Übertriebenen Ehrgeiz habe ich nicht entwickelt. Aber ich schaffe es immer noch, jeden zweiten Tag zu laufen, jeweils zehn Kilometer. Ab und zu mache ich auch noch Intervall-Training, aber im Dunkeln, wenn mich keiner sieht.

So gehen Sie ja auch im Buch vor. Und diese Taktik haben Sie beibehalten?

Reng: Ja, schon vom Tagesrhythmus her. Zum einen hasse ich es, morgens irgendwas zu machen. Da geht es schon gar nicht, dass ich mich bewege. Und auch mit den Kindern und der Arbeit ist es dann so: Wenn alle schlafen, habe ich Zeit zu laufen.

Kommen wir zu einem – für mich – praktischen Teil des Interviews. Ich bin jemand, der sportlich mal wieder etwas tun müsste. Ich bin aber alles andere als ein Lauf-Liebhaber. Mein größter sportlicher Erfolg ist der dritte Platz in der Fußball-Bezirksliga – als Torwart. Was würden Sie einem wie mir denn raten? Einfach mit dem Laufen anfangen?

Reng: Das wäre zu gefährlich. Gerade, weil Sie mal Sportler oder auch nur ein lauffauler Torwart waren, verfügen Sie über einen gewissen sportlichen Ehrgeiz. Das schwierigste für alle, die mal Sport gemacht haben, ist anzuerkennen, dass langsames Laufen keine Schande ist. Man sollte erkennen, dass das langsame Laufen das Beste ist, wenn man wieder anfängt. Sie sollten nicht zu viel laufen, aber regelmäßig. Weil das Laufen eben eine angeborene Bewegung ist, kann man den Kreislauf damit relativ schnell wieder trainieren. Vielleicht beginnen Sie mit drei Läufen pro Woche – jeweils 20 Minuten. In der dritten Woche kann man es vielleicht schon auf eine halbe Stunde steigern.

Sie werden in Schiefbahn in der Praxis von Dr. Mayer aus Ihrem Buch lesen. Wie ist dieser Kontakt zustande gekommen?

Reng: Der ehemalige Berater von Robert Enke, Jörg Neblung, ist befreundet mit dem Ärzteehepaar, das den Abend organisiert. Ich glaube, dass diese Freundschaft auf der Mönchengladbacher Zeit von Robert Enke basiert.

Die Witwe von Robert Enke, Teresa Enke, ist auch Bestandteil des Buches „Warum wir laufen“. Zu ihr besteht weiterhin ein regelmäßiger Kontakt?

Reng: Ja, ich habe sie und Robert ja während seiner Fußballerkarriere begleitet. Und Roberts Tod – so niederschmetternd er auch war – lässt einen noch näher zusammenrücken. Wir arbeiten auch öfter zusammen für die Robert-Enke-Stiftung. Ich wusste, dass das Laufen Teresa geholfen hat, ihre eigene Niedergeschlagenheit nach Roberts Tod zu verarbeiten. Deshalb habe ich versucht, an ihrem Beispiel zu beschreiben, wie das Laufen heute vermehrt in der Therapie von psychischen Problemen und Krankheiten eingesetzt wird.

Im Bereich Fußball haben Sie viele erfolgreiche Bücher geschrieben. Nun der Ausflug zum Laufen. Möchten Sie sich diese Vielfalt als Autor erhalten?

Reng: Manche Autoren schreiben alle ihre Bücher nach demselben Muster. Ich liebe am Bücherschreiben die Möglichkeit, viele verschiedene Formen und Themen auszuprobieren. Ganz ohne Fußball geht es in dem Laufbuch allerdings auch nicht: Mit Thomas Hitzlsperger ging ich der Frage nach, wie sehr sich das Laufen im Fußball verändert hat. Früher war Laufen für Fußballer ja die Höchststrafe. Heute sind Profis wie Thorgan Hazard von Gladbach richtig gute Mittelstreckler.

Haben Sie denn schon konkrete Pläne für ein neues Buch? Steht uns bald ein neuer Reng ins Haus?

Reng: Seit letzten Montag, 10.35 Uhr, ist das nächste Buch tatsächlich fertig. Daran habe ich jetzt zwei Jahre gearbeitet. Ich verrate Ihnen aber nicht, worum es geht. Das bringt Unglück.

Okay. Auch keine grobe Richtung?

Reng: Nein, lieber nicht. Das ist nie gut.

Dann bleibt zum Schluss noch ein Blick auf den Fußball. Wie sehen Sie im Moment die Bundesliga? Wer wird Deutscher Meister?

Reng: Ich gehöre nicht zu den Leuten, die Prognosen machen. Ich schaue gerne hinterher drauf und kommentiere. Da kann man weniger falsch machen. Aber als jemand, der in Frankfurt groß geworden ist, macht die Liga durchaus wieder Spaß. Viele Mannschaften sind viel mutiger geworden. In den letzten vier, fünf Jahren hatte sich der deutsche Vereinsfußball sehr auf die Idee des defensiv orientierten Umschaltspiels festgelegt. Dieses Jahr haben einige Mannschaften umgestellt auf ein offensiveres Spiel: Mönchengladbach, Hertha BSC Berlin, Frankfurt, selbst Wolfsburg. Und dann haben die Bayern ausgerechnet in dem Jahr beschlossen, ein bisschen zu schwächeln. Das macht alles spannender. Es ist schöner anzuschauen. Mal sehen, wie lange diese ganze Entwicklung noch anhält.

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