Tönisvorst Den Menschen wieder Mut machen

Dr. Andreas Leischker ist Chef der Geriatrie bei den Alexianern. Er kennt sich auch mit schweren Fällen aus.

Tönisvorst. Sie spielen sich alltäglich ab, sind nichtsdestotrotz für die Betroffenen eine Katastrophe: Ein älterer Mensch erkrankt schwer, muss über längere Zeit im Krankenhaus behandelt werden, aus dem er dann entlassen wird, obwohl er eigentlich ein Pflegefall ist. Betroffene selbst, aber auch die Angehörigen wissen oft genug nicht, wie es weitergehen soll.

Tönisvorst: Den Menschen wieder Mut machen
Foto: Kurt Lübke

Viele setzen ihre Hoffnung dann in eine geriatrische Rehabilitation, wie sie im Tönisvorster Krankenhaus angeboten wird. Und dann ist es am Personal des Krankenhauses, den Menschen wieder Lebensmut zu geben.

Da weiß Dr. Andreas Leischker, Chefarzt der Alexianer-Geriatrie in Tönisvorst und Krefeld, wovon die Rede ist. Immer und immer wieder führt er Gespräche, macht seinen Patienten Mut, gibt ihnen Hoffnung darauf, dass sie ein gutes Stück weit in die Lage versetzt werden, ihren Alltag alleine — und vor allem: selbstbestimmt — zu meistern.

Hoffnung

„Viele kommen mit der Angst, dass es nicht mehr gut wird“, schildert der Mediziner. Gerade nach einer Erkrankung sei dies ganz oft zu beobachten. „Wir versichern dann: Lass’ uns daran arbeiten. Das Ziel ist es, das wieder zurückzubringen, was vorher war“, erklärt Leischker.

Dabei beobachten er und sein Team eine faszinierende Gesetzmäßigkeit: „Gerade religiöse Menschen überleben besser.“ Besonders bei Tumor-Erkrankungen zeige sich dieses Phänomen. Erstaunlich: Die Religion spielt überhaupt keine Rolle. Es macht keinen Unterschied, ob ein Betroffener katholisch, evangelisch, Muslim oder Buddhist ist.

Gibt es Fälle, die für den Fachmann, die besonders problematisch sind? „Ja“, sagt Leischker, „dazu zählen Alleinstehende, die erkrankt sind und die keine Angehörigen mehr in ihrem Umfeld haben.“ Oder solche, die komplett alleine sind. Diese Menschen bekommen zunächst ein Gespräch mit einer Psychologin. „Oft ist es ja so, dass die Kinder weit weg sind. Aber es ist schon viel gewonnen, wenn man übers Telefon einen Kontakt herstellen kann“, weiß Leischker. Bei sehr alten Menschen sei es oft so, dass es kaum noch einen Bekanntenkreis gibt. „Hier kann man versuchen, Kontakte zu vermitteln“, sagt der Experte.

Oft seien es die Kleinigkeiten, die die Menschen wieder ein Stück zurück ins Leben brächten. Etwa, indem man ein Essen auf Rädern organisiert, auch wenn’s von der eigenen Selbstständigkeit her nicht nötig wäre. „Ich hatte eine Patientin, die freute sich jede Woche darauf, dass der Caterer kam.“

Mit dem Älterwerden der Gesellschaft ist auch immer häufiger die Frage zu stellen: Liegt eine Demenz vor? In Tönisvorst werden alle Patienten darauf getestet. „Wenn das der Fall ist, muss man es den Angehörigen langsam und schonend beibringen“, sagt der Mediziner. Dem Patienten selbst helfe in der Situation, ihn immer wieder daran zu erinnern, was er im Leben schon alles geschafft habe. Eines lasse sich in solchen Fällen auch über die Wohnraumgestaltung machen. Oder auch über die des Umfeldes: Das Seniorenzentrum in Tönisvorst habe da einiges zu bieten.

Dr. Andreas Leischker, Chefarzt der Alexianer-Geriatrie in Tönisvorst und Krefeld

Schwierig und ein Grund sofort einzugreifen: schlechtes Hören. „Sobald jemand sagt, dass er eigentlich noch gut hört und erst dann Probleme hat, wenn viele Menschen sprechen oder die Geräuschkulisse so hoch ist, ist es an der Zeit, gegenzusteuern“, erklärt Leischker. Heutzutage trügen die Kassen auch die Kosten für digitale Geräte. „Es braucht ja keinen Internet-Anschluss, sondern soll nur bei der Orientierung helfen“, sagt der Chefarzt schmunzelnd.

Wie geht er mit todkranken Menschen um? Konfrontiert er sie mit einer Prognose? Leischker schüttelt den Kopf. „Nein, ich weiß ja nicht einmal, wie lange ich noch zu leben habe.“ Patienten Hoffnung zu geben, bedeute, sie nicht alleine zu lassen, Positiv-Beispiele zu benennen. Nach Möglichkeit helfen, dass sie draußen weiter behandelt werden können.

„Am Anfang sind viele hoffnungslos, wenn sie zu uns kommen. Im Laufe des Aufenthalts ändert sich das“ — der Mediziner spricht aus Erfahrung. Und nennt das Beispiel von der Ordensfrau, der beide Beine amputiert werden mussten, die aber lernte, mit Prothesen zu gehen. „Die Menschen brauche auch Zeit, die neue Situation zu akzeptieren“, sagt er.

Wie viel Zeit haben sie denn in einer geriatrischen Reha? Die durchschnittliche Bleibedauer ist 21 Tage, manchmal sind’s ein, zwei Wochen mehr. Das hängt auch mit der Motivation zusammen.

Nochmal zurück zur Religion: Wie hält es der Chefarzt damit? „Ich bin Mitglied in einer Kirche“, sagt Leischker. Und dabei hat er diesen Gesichtsausdruck, der in einer Form von Heiterkeit seinen Patienten unmissverständlich signalisiert: Ich kann und werde Ihnen helfen.

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