Demenz: „Die Zuneigung bleibt manchmal auf der Strecke“

Angehörige sind durch Pflege von Demenzkranken oft überfordert. Hilfe gibt’s im Katharinenhospital.

Willich. Seit Januar gibt es im Katharinen-Hospital ein Angebot für Angehörige von Demenzkranken. Betroffene können dort über ihre zum Teil sehr quälenden Probleme sprechen und sich beraten lassen.

Vier Frauen sind an diesem Montag erschienen. Ein Facharzt ist ausnahmsweise nicht mit dabei, dafür steht Nicole Hölscher als Qualitätsbeauftragte des Krankenhauses sowie Robert Zylka als Seelsorger zum Gespräch zur Verfügung. Was ebenfalls ein wenig Erleichterung verschafft: Die Gewissheit, dass andere mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben.

Draußen scheint die Frühlingssonne, aber die zierliche Seniorin wirkt blass, total zerknirscht. Sie hat ihre Tochter mitgebracht. Die Demenz des Ehemanns beziehungsweise des Vaters hat ein weiteres Zusammenleben unmöglich gemacht.

Der Mann, immer schon ein dominanter Typ, hatte seiner Frau gedroht. Die sorgte für eine Einweisung in die Psychiatrie. Ein Zusammenleben kann sich die Seniorin trotz 59 Ehejahren nicht mehr vorstellen. Was sie plagt, ist ein schlechtes Gewissen.

„Man muss so viel von seiner eigenen Persönlichkeit abgeben“, sagte eine andere, deutlich jüngere Frau. Auch ihr Mann ist dement, akzeptiert seine Krankheit jedoch nicht. „Seit sieben Jahren spricht er nicht mehr, er sitzt nur stumm herum, es ist kaum auszuhalten“, klagte die Frau. Nur aufs Radfahren habe er noch Lust. Manchmal sei sie richtig wütend. Ihre Erklärung: „Wenn man ständig zurückgestoßen wird, bleibt die Zuneigung manchmal auf der Strecke.“

Was sie zusätzlich belastet: „Seit die Tochter von der Krankheit weiß, herrscht Funkstille.“

Eine Seniorin ist gekommen, weil sie gemeinsam mit ihrem Mann die kaum ältere Schwägerin versorgt. Der Umgang mit der Demenzkranken sei vergleichsweise unproblematisch. Jedoch stelle sie sich häufig die Frage, wie lange sie die Pflege noch leisten könne, ob sie es schaffe, zu gegebener Zeit die Schwägerin in ein Heim zu geben.

Überforderung einerseits, aber auf der anderen Seite auch ein schlechtes Gewissen — diesen Zwiespalt der Angehörigen kennen die Experten. Nicole Hölscher zeigte deshalb einen Film. Hauptdarsteller sind zwei Ehepaare — die Männer sind dement.

Die Film-Frauen sprechen den Betroffenen in Willich aus dem Herzen mit Sätzen wie diesem: „Ich komme einfach nicht zur Ruhe — mein Mann muss in ein Pflegeheim.“ Im Film kommen aber neben Enttäuschung über ein Leben im Alter, das sich so ganz anders entwickelt als erwartet, auch die Gewissensbisse zum Ausdruck.

Die Angehörigengruppe Demenz kommt wieder am 21. Mai um 18 Uhr in der Krankenhaus-Bibliothek zusammen.

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