Historisches Gebäude : Das Rathaus vereint Jugendstil und Nachkriegszeit
Vorst. In fünf bis sechs Jahren werden die Büros im Vorster Rathaus leer sein. Zeit für einen Blick in die Geschichte des Hauses.
Schon die Fassade ist ein Hingucker: Das zweigeschossige, symmetrische Backsteingebäude wird von einem Treppengiebel im Renaissance-Stil gekrönt, in dem neun kleine Fenster wie eine Pyramide angeordnet sind. Auch das schwere, zweiflüglige Eingangsportal mit dem runden Oberlicht, das von einem verzierten Sandstein umrahmt wird, zieht die Blicke auf sich. Keine Frage: Das alte Rathaus an der St. Töniser Straße in Vorst ist ein ganz besonderes Gebäude.
Wer das Haus betritt, findet sich in einem großzügig gestalteten Treppenhaus wieder, das in den Sitzungssaal führt. Der große Raum mit den Möbeln, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, ist von drei bleiverglasten Fenstern im Jugendstil geprägt. Wer sich die Bleiverglasung genauer anschaut, entdeckt den preußischen Adler mit Zepter und Reichsapfel in den Krallen. Ein anderes Bild zeigt ein blaues Band und steht für das Rheinland. Weitere Motive zeigen putten-ähnliche Männer, die Handwerker und Bauern symbolisieren.
Das Haus war einst sehr groß für die wenigen Verwaltungsdiener
1913 wurde das Vorster Rathaus eingeweiht, und es gehört bis heute zu den repräsentativsten Gebäuden der Stadt, wie bereits der ehemalige Stadtdirektor Hans Hochbruck in einem Artikel, den der Heimatbund Vorst veröffentlicht hat, bemerkt. „Ungewöhnlich ist das Gebäude auch in seinen Ausmaßen, vor allem im Verhältnis zur Größe der früheren selbständigen Gemeinde Vorst und deren Einwohnerzahl.“ Viele Büroräume, der Sitzungssaal und zwei geräumige Wohnungen befanden sich im Rathaus – und das, obwohl die gesamte Gemeindeverwaltung von Vorst, wie Hochbruck schreibt, seinerzeit aus elf Personen bestand.
Auch das Grundstück, das die Gemeinde für den Rathausbau gekauft hatte, wirkte überdimensioniert: Es umfasste fast 8000 Quadratmeter. Aber der Platz wurde tatsächlich benötigt. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Einwohnerzahl von Vorst durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Osten rasant stieg und damit auch die Arbeit der Verwaltung zunahm, mussten sogar die beiden Wohnungen in Büroräume umgewandelt werden, um die vielen Mitarbeiter unterzubringen.
Zuvor hatte das Gebäude allerdings zwei schwere Schläge abbekommen. Im Herbst 1940 fegte ein Orkan durch den Ort, der einen großen Teil der Dachziegel mitnahm. In die oberen Geschosse drang Regen ein. „Es dauerte Monate, bis alles wieder trocken war“, schreibt Hochbruck. Nach dem Regen kam das Feuer: Im September 1942 schlug eine Brandbombe ins Rathaus ein. Und so war das Rathaus nach dem Krieg in keinem guten Zustand, wurde aber nach und nach renoviert und bekam schließlich sogar noch einen Anbau mit weiteren Büroräumen und einen großen Parkplatz im Hof.