Tönisvorst „Dadurch geht das Brauchtum verloren“

Wird der Karneval zu teuer? Das wollte die WZ von Passanten auf der St. Töniser Hochstraße wissen.

Tönisvorst: „Dadurch geht das Brauchtum verloren“
Foto: Kurt Lübke

St. Tönis. Beginnen wir mit dem Appell eines St. Tönisers, der im Straßenkarneval engagiert ist: „Lasst uns alle nicht vergessen, was Karneval ist und was er bringt: Gelassenheit, Spaß und überschäumende Lebensfreude, die wir uns von keinem kaputt machen lassen sollten.“ Das ist leichter gesagt, als getan. Ist der Karneval zu teuer und fressen die immer weiter steigenden Kosten das Brauchtum regelrecht auf? Das wollte die WZ vor Ort von Passanten in St. Tönis wissen.

Tönisvorst: „Dadurch geht das Brauchtum verloren“
Foto: Lübke

„Es wird immer weniger“, sagt Walter Gebat mit Blick auf die Sponsoren. Schon von daher müssten die Vereine von sich aus mehr Geld aufbringen. Zusätzlich zögen sich viele Menschen, die sich früher engagiert hätten, aufs Private zurück. Und dann komme auch der Nachwuchs nicht so hinterher, wie man sich das vielleicht wünschen würde. „Wir haben früher auch zu Hause richtig gut gefeiert“, sagt Gebat.

Tönisvorst: „Dadurch geht das Brauchtum verloren“
Foto: Feuerwehr

„Die hochgehenden Kosten sind ja auch der Sicherheitslage geschuldet“, sagt Kurt Fruhen. „Und damit ist das Problem schon benannt.“ Was ihn aber zusätzlich umtreibt: „Wie hoch ist eigentlich der finanzielle Anteil der Stadt? Wie sind die tatsächlichen Kosten“, fragt er. Auf der anderen Seite habe er durchaus Verständnis dafür, dass viele Gruppen klagen. „Das kann ich nachvollziehen.“

„Die Auflagen sind zu hoch und zu heftig“, sagt eine Passantin, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte. „Irgendwann wird uns bestimmt auch noch das ,Höppen’ verboten“, unkt die Frau. Sicherheit müsse sein, aber es werde damit übertrieben. Hinzu kommt in ihren Augen, dass es keine Kneipen mehr gibt, in denen man feiern könne.

„Uns tut das leid wegen der steigenden Kosten“, sagt Elisabeth Pierkes, die mit ihrem Mann Winfried „im Dorf“ ist. „Irgendwann liegt das Brauchtum flach und wir befürchten, dass das Bunte, die Vielfalt dann kaputt geht.“ Zum Thema Sicherheit hat das Paar ebenfalls eine stabile Meinung: „Zu 100 Prozent gibt es die nicht.“

Einen anderen Aspekt bringt Peter Lambertz ins Spiel: „Problem ist, dass heute alles bezahlt werden muss. Früher ging man mit einer Platte, die beim Wagenbau benötigt wird, mal kurz zum Schreiner. Heute wird eine solche Arbeit in Auftrag gegeben.“ In Sachen Sicherheit meint er, dass dieser Aspekt überzogen werde und nicht mehr zu finanzieren sei. Lambertz stößt sich noch an einem anderen Aspekt: „Die hohe Präsenz der Polizei fordert junge Leute, die vielleicht auch noch getrunken haben, geradezu heraus.“

„Die kleinen Vereine gehen kaputt“, glaubt Doris Lambertz, Ehefrau des Vorredners. Aber ein gewisses Maß müsse schon sein.

„Wahnsinn“, sagt Reinhard Maly. „Es muss für die Kostensteigerung eine Lösung geben. Sonst haben wir bald keinen Karneval mehr.“ Dieses Brauchtum sei eindeutig ein Kulturgut und müsse unterstützt werden. „Gerade für die kleineren Orte ist das unglaublich wichtig“, sagt der Vorster.

„Ich weiß nicht so recht, wo die Kosten und die Diskussion darüber herkommen“, sagt Ortwin Dühring, Mundartbaas des Heimatbundes. Er selbst hat früher an einem Wagen mitgebaut und weiß, dass heutzutage der Sicherheitsaspekt eine immer größere Rolle spiele. Düring kennt sich auch in der Nachbarschaft aus. 42 Jahre lang ist er bei Creinvelt in der Seidenstadt in die Bütt gegangen.

„Das stimmt. Die Kosten steigen. Und bei den heutigen Lohnerhöhungen bleibt nichts über“, sagt Hans-Rainer Rösges. Auch bei der Pflegeversicherung liefen die Kosten weg.

„Karneval ist seit historischen Zeiten ein Brauchtum“, sagt Rolf Schumacher. Und fordert: „Das sollte von Verwaltung und Rat unterstützt werden.“

Viele Befragten äußern sich zum Kostentreiber Sicherheit. Es sei traurig, dass so viele Maßnahmen ergriffen werden müssten — dadurch gehe das Brauchtum verloren, so Monika Thome aus Krefeld, die gemeinsam mit ihrem Mann auf der Hochstraße unterwegs ist. „Absolute Sicherheit gibt es nicht.“ Einerseits würde in Sachen Sicherheit übertrieben, findet Udo Krabbe. Andererseits sei eine potenzielle Gefahr vorhanden - siehe Weihnachtsmarkt in Berlin. „Weniger würde reichen“, betont Edeltraut Bergmann. „Alles andere schürt nur die Angst.“

Karneval sei nicht mehr so wie früher - es werde alles teurer, hat Angelika Lövenich festgestellt. „Wir, die nicht so ins Karnevalsgeschehen involviert sind, wissen ja gar nicht, was alles bezahlt werden muss.“ Vor 40 Jahren war an den jecken Tagen in St. Tönis „Remmidemmi hoch drei“ - das sagt Gisela Ropertz. Heute sei das so leider nicht mehr möglich.

Übrigens: Die Auflage, die Straßen Richtung Zugweg mit Lastwagen zu blockieren, stammt nicht von der Stadt Tönisvorst. Es handelt sich um eine Vorgabe der Polizei. Das erklärte das Tönisvorster Karnevals Komitee gestern in einer schriftlichen Stellungnahme. Siehe auch Seite 26

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