Anrather Platt saugt man mit Muttermilch auf

En Mönke voll Platt bringt Freunde der Mundart an einen (Stamm-)Tisch.

Anrath. Mundart-Fetischisten findet man hier nicht. Das sagt Friedel Kluth, der Ansprechpartner für den Anrather Mundartstammtisch "En Mönke voll Platt", der sich jeden ersten Mittwoch im Monat bei Schmitz Mönk zusammenfindet, gerade zum ersten Mal 2010.

Stellt man ihm die Frage, wie man denn Anrather Platt lernen könne, sagt er das, was man von Bewahrern der Mundart erwartet: "Das können Sie nicht lernen. Das müssen Sie mit der Muttermilch aufgesogen haben und das auch seit mindestens drei Generationen!" Wer ihn kennt, sieht dabei die spitzbübischen Lachfalten um die Augen. Fragt man genauer nach, ist mindestens ein Viertel der 20 Anwesenden nicht gebürtig aus Anrath. Eine Kölnerin ist darunter. Die Runde, die Ludwig auf seinen Geburtstag gibt, wird gern genommen, auch wenn er aus Okerke (Odenkirchen, Gladbach) stammt.

Man schlägt das Liederbuch auf und singt "No öss vör os enne Tied aanjekuemme". Die plattdeutsche Variante von "Es ist für uns eine Zeit angekommen" stammt aus der Feder von Hans Stienen. Er ist in Herongen geboren, lebt seit 60 Jahren in Anrath und hat den Mundartkreis vor 13, 14 Jahren als damaliger stellvertretender Vorsitzender des Bürgervereins in Leben gerufen.

Anlass war ein Mundartnachmittag, den die Stadt Willich veranstaltete. Sein Ziel war ein fester Termin, an dem man sich zur Mundart trifft. "Da sollten wir alle reden können, wie uns der Schnabel gewachsen ist." Kluth ergänzt: "Der erste Mundart-Stammtisch ist kaputt gegangen, weil die sich gezankt haben, ob ein Wort so oder so ausgesprochen wird." Das also meint er mit Fetischimus.

Ohne den haben die Anrather sogar eine Gitarrenbegleitung für ihre Mundartlieder: Christoph Carlhoff und seine Frau Dorle sind Schwaben. Carlhoff vertont als Leiter der Leddscheswäever viele Mundartgedichte.

"Sprache ist Heimat", sagt Kluth. So ist der Kreis offen für den jungen Handwerker türkischer Herkunft, der kürzlich bei Carlhoffs gearbeitet hat und bekannte: "Am libbste donn isch platt kalle". Wäre doch schade, wenn es so schöne Wörter wie "Föttschesföhler" nicht mehr im aktiven Wortschatz des Niederrheins gäbe, wo solche Herren sicher nicht aussterben werden. Oder wenn sich jeder, "dä ens besoape üss", gleich als "besoffen" beschimpfen lassen müssen. "Im Dialekt lässt sich vieles ausdrücken, worüber man auf Hochdeutsch nicht sprechen kann", sagt Kluth.

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