Anrath: Offenes Theater hinter verschlossenen Türen

Kunst: Die Taubenhaucher brachten Abwechslung vom Alltag in die Justizvollzugsanstalt Anrath.

Anrath. Das war ein besonderer Auftritt für die Taubenhaucher. Denn die Insassinnen der Justizvollzugsanstalt (JVA) WillichII haben nicht gehaucht. Als Reaktion auf die Stücke der Improvisationstheater-Gruppe haben sie geklatscht, gegrölt, gejubelt und sich halb schlapp gelacht.

Ermöglicht wurde diese Begegnung durch den Kunst- und Literaturverein für Gefangene aus Dortmund, der so eine Veranstaltung im Frauenknast zum dritten Mal durchführt und auch im Herbst noch einmal wiederkommen wird. Das versichert Bernd Neuwick, der die Auftritte in Anrath begleitet.

"So viel Energie", sagt Ensemblemitglied Tanja anschließend beeindruckt. "Stärker, schneller", ergänzt Ben. "Und wie schnell die sich eingelassen haben", bemerkt Jens. "Normalerweise dauert es viel länger, bis das Publikum warm wird und uns Aufgaben stellt", bestätigt Bernd. Die Spieler entwickeln aus Begriffen und Sätzen, die ihnen die Zuschauer zurufen, spielerisch lustige Szenen. "Sonst sind die Leute meist reservierter", sagt Axel.

Die fünf Kölner verzichten bei ihrem Auftritt auf eine Gage und geben sich mit einer Fahrtkostenerstattung zufrieden. Und die rund 50 inhaftierten Frauen stellen schon besondere Anforderungen.

Werden sie beispielsweise gefragt, welche Erfindung sie sich wünschen, lautet die Antwort: "Ein Loch in der Mauer." Axel entwickelt daraus einen Zauberfleck, durch den man Wände überwinden kann. Jens, der von all dem nichts mitbekommen hat, spielt spontan den Erfinder, der von Ben nach seiner Erfindung befragt wird.

Besonders gut kommt die Aufgabe "Sams" an, in der die beiden Spieler immer das Gegenteil davon sagen, was sie meinen. "Wenn man jemandem sagen will: ‚Ich finde dich toll’, sagt man ihm: ‚Ich finde dich blöd’", erklärt Axel. Befragt nach der Beziehung, in der so ein Gespräch stattfinden soll, kommt aus dem Publikum: "Knacki und Grüner!" - "Inhaftierter und Beamter?" vergewissert sich Axel, und Jens zeigt sich verstohlen rauchend - Gelächter durchzieht den Saal. Bernds charakterisierende Haltung wird ebenso quittiert. "Du weißt doch, dass das erlaubt ist, und ich habe dich noch nie dabei erwischt", beginnt der die Strafpredigt.

Also wird der Knacki auch nicht bestraft, und der versichert, dass er es sofort wieder tun wird. Ein Heidenspaß.

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