Anrath: Nach 18 Jahren Abschied vom Gefängnis

Pfarrerin Sylvia Pleger wechselt aus Anrath in eine Krefelder Gemeinde.

Anrath. Das viel zitierte "lachende und weinende Auge" gab es am Wochenende in der JVA Willich II zu sehen. Nach 18 Jahren als Gefängnisseelsorgerin verließ Sylvia Pleger ihre Gemeinde in der Frauenanstalt. Beim Gottesdienst, mit dem sie in der Kapelle des Gefängnisses verabschiedet wurde, zeigte sich so manches betrübtes Gesicht - und das nicht nur bei den Inhaftierten.

"Ich bin selbst traurig. Es war eine gute Zusammenarbeit, und ich werde sie vermissen. Auf der anderen Seite freue ich mich auch auf meine neuen Aufgaben", sagte Pleger, die am 8.Februar als Pfarrerin in der Friedenskirche in Krefeld eingeführt wird. Damit wechselt die 52-jährige gebürtige Kölnerin, die in Krefeld lebt, von der bisherigen halben Pfarr-Stelle in eine volle.

"Sie haben Ihre Rolle als Seelsorgerin vielfältig ausgeübt. Sie waren eine Vertrauensperson für die Inhaftierten, Ansprechpartner und Berater für die Mitarbeiter. Jeder bei uns in der JVA wusste, was evangelische Seelsorge hier bedeutete. Ihre Arbeit war transparent und das gegenseitige Vertrauen war groß", bedankte sich Renate Gaddum, Anstaltsleiterin des Frauengefängnisses, bei der Gefängnisseelsorgerin. Auch als persönliche Gesprächspartnerin und Ratgeberin habe sie Sylvia Pleger sehr geschätzt und werde sie vermissen, fügte Renate Gaddum an.

Als Pleger vor 18 Jahren antrat, war die Stelle einer Gefängnisseelsorgerin zum ersten Mal ausgeschrieben worden. Die Krefelderin betrat damit Neuland. "Ich hätte der Arbeit ein Gesicht gegeben, hat man mir oft gesagt", erinnert sich Pleger.

Dass sie damals in der JVA angefangen habe, sei ein Zusammenspiel von Fügungen gewesen. Gerade erst mit ihren kleinen Kindern nach Krefeld gezogen und sich im Erziehungsurlaub befindend, habe sie in der frisch abonnierten Kirchenzeitung das Stellenangebot der JVA gelesen.

"Menschen, die sich am Rande der Gesellschaft befinden, zur Seite stehen, das lag mir schon immer", erinnerte sich Sylvia Pleger. Sie schnupperte das erste Mal Gefängnisluft und wusste, dass sie hier arbeiten konnte und wollte. Die Arbeit in der JVA habe sie geprägt. Frauen bei ihren Entwicklungsschritten nach vorne zu begleiten, die unschöne Vorgeschichte, den fehlentwickelten Weg, der ins Gefängnis geführt habe, aufzurollen, habe sie berührt: "Ich achte den Mut, den die Frauen haben, sich ihrer Schuld zu stellen."

Pleger betonte, dass Mitleid nicht helfe, wohl aber Anteilnahme und Begleitung. Und diese Begleitung gab sie 18 Jahre lang von ganzem Herzen.

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