Anrath — kein Paradies für Rollstuhlfahrer

In der Innenstadt gibt es für Rollstuhlfahrer wie Hartmut Perseke jede Menge Hindernisse.

Anrath — kein Paradies für Rollstuhlfahrer
Foto: tref

Anrath. Wenn Hartmut Perseke mit seinem Elektromobil aus seinem Haus an der Neersener Straße herausrollt, dann bedeutet das für den Anrather eine Slalomfahrt. Den ohnehin schon schmalen Bürgersteig zieren in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen nämlich Poller. Die sollen die Autofahrer auf der ebenfalls sehr schmalen Straße daran hindern, über den Bürgersteig zu rauschen. Auf der anderen Seite verengen sie den Bürgersteig und machen es für Rollstuhlfahrer unmöglich, diese Fläche zu nutzen. Sie müssen auf die Straße. „Mein Elektromobil ist nicht breiter als ein normaler Rollstuhl“, betont der 78-Jährige. Was er nicht versteht ist, dass der Neubau an der Ecke Neersener Straße/Kirchplatz ebenfalls so gebaut wurde, dass der Bürgersteig schmal gehalten werden muss. „Und das in einer Kurve, die eh uneinsehbar ist, wenn man dort mit dem Rollstuhl auf die Straße muss“, empört sich Perseke.

Anrath — kein Paradies für Rollstuhlfahrer
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Oft sind es gerade die Kleinigkeiten, die ihn als Rollstuhlfahrer den Kopf schütteln lassen. In das nächste Beispiel rollt er gerade hinein: Die Passage gegenüber der Kirche kann von dort problemlos — weil ebenerdig und mit breitem Zugang — erreicht werden. An der anderen Ausgangsseite hingegen gibt es neben Stufen eine Rampe, die vor einem Absperrgitter endet. Egal, ob man hinunter- oder hinauffährt: Es ist eng und mit dem Rollstuhl muss millimetergenau rangiert werden. Warum, fragt sich Perseke, konnte die Rampe nicht dort installiert werden wo die Treppe ist und die Treppe an der Seite mit dem Gitter?

In der Anrather Innenstadt ist es oft die Gedankenlosigkeit von anderen Verkehrsteilnehmern, die den Rollstuhlfahrern das Leben ein Stück schwerer macht. An der Viersener Straße parken Autos vor einer Arztpraxis auf dem Bürgersteig. Andere stellen an der Hauswand ihre Räder ab. Für den Rollstuhlfahrer heißt dies: Es ist kein Durchkommen möglich. „Ich habe dort einmal eine Autofahrerin angesprochen, die mir auf die Frage nach ihrem Parkverhalten nichts sagen konnte. Dann habe ich mich einfach mal mit meinem Rollstuhl vor ihr Auto gestellt“, berichtet Herbert Mertens.

Was den Einzelhandel betrifft, gibt es in Anrath Geschäfte, die problemlos mit dem Rollstuhl erreicht werden können, weil sie ebenerdig sind. Bei anderen bilden Stufen hingegen unüberwindliche Hindernisse. Es geht aber auch anders: Bei Optik Ix liegt eine Rampe aus, die es Menschen mit Rollstuhl ermöglicht, das Geschäft aufzusuchen. Auch bei einem Obst- und Gemüsegeschäft an der Jakob-Krebs-Straße hilft eine Rampe weiter. „Es gibt auch Geschäfte, die eine Rampe auslegen, wenn man sich meldet“, weiß Perseke aus Erfahrung und demonstriert dies direkt. Mit seinem Elektromobil steuert er das Royals Café an. Ein Klopfen an der Eingangstür, und Inhaberin Iris Aretz erscheint. Ein kurzer Blick, und sie geht zurück, um Sekunden später mit einer breiten Rampe erneut aufzutauchen. „Die Rampe haben wir schon seit ewigen Zeiten. Mir ist es wichtig, Menschen mit Handicap zu helfen, wobei bei uns auch bis zu den Toiletten mit dem Rollstuhl gefahren werden kann“, betont Aretz.

Hartmut Perseke ist sich sicher, dass nicht jeder Rollstuhlfahrer das Angebot der Rampe auf Wunsch kennt. „Ich fände es generell gut, wenn Geschäfte, die so etwas anbieten, vielleicht ein kleines Schild an der Tür oder im Fenster hätten, damit Rollstuhlfahrer wissen: Hier komme ich trotz Stufen rein“, sagt Perseke.

Dennoch ist nicht nur er in Sachen Rollstuhl oft auf die Hilfe andere angewiesen. Sei es Türen aufhalten oder etwas aus einem Geschäft mitbringen, weil es mit dem Rollstuhl nicht erreicht werden kann. Auch der öffentliche Nahverkehr bereitet Probleme. „Ich würde gerne Angebote in Willich wahrnehmen, aber da komme ich nicht hin. Auf der Strecke werden keine absenkbaren Busse eingesetzt, die ich mit meinem Rollstuhl nutzen könnte“, berichtet Mertens. Das Problem, wenn solche Busse nicht fahren, zwang ihn einst zu einer „Himmelfahrt“ von Kempen aus. Er fuhr mit einem absenkbaren Bus zum Weihnachtsmarkt in Kempen. Auf dem Rückweg wurden aber keine solchen Busse mehr eingesetzt. „Ich rief bei der Servicenummer an. Dort meinte man, es führe in einer Stunde ein solcher Bus. Das war aber nicht der Fall. Ich bin dann zum Bahnhof und mit dem Zug nach Krefeld. Von Krefeld aus fahren absenkbare Busse nach Anrath und ein solcher brachte mich zurück“, erinnert sich Mertens. Insgesamt war es eine Tour von dreieinhalb Stunden für einen kurzen Besuch des Weihnachtsmarktes in einer Nachbarstadt. tref

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