Alle zusammen in einem Boot

Pflegefamilien: In Willich kümmert sich Joachim Lukossek vom Jugendamt um die Betreuung von Pflegeeltern und ihren Schützlingen.

Willich. Kajaks auf der Niers sind nun wirklich nichts Ungewöhnliches. Auch größere Gruppen nicht, auch nicht im strömenden Regen. Aber die Gruppe aus 20 Menschen in sechs Booten, bunt gemischt durch alle Altersgruppen, sind schon etwas Besonderes. Hier paddeln Willichs Pflegefamilien. Und das nicht zufällig.

Joachim Lukossek, bei der Stadt Willich zuständig für die Auswahl und Betreuung von Pflegeeltern, hat die Fahrt organisiert und seine Willicher Familien am Bootssteg in Vinkrath zusammengetrommelt.

Pflegeeltern nehmen Kinder auf, die — aus welchen Gründen auch immer — nicht mehr von ihren leiblichen Eltern betreut werden können und nach Entscheidung eines Familiengerichts in eine Pflegefamilie gegeben werden.

Keine leichte Aufgabe für die Familien, was Lukossek aus professioneller, aber auch privater Sicht und Erfahrung einzuschätzen weiß. „Oft bringen die Kinder Problematiken mit, die eine betreuende Familie nicht nur an den Rand der Belastung bringen“, sagt er. „Und gerade weil unsere Arbeit auf Langfristigkeit, auf Perspektive angelegt ist, schauen wir da schon sehr genau hin — im Interesse beider: Der Kinder und der Familien.“

Jeden Monat trifft sich ein Großteil der Pflegeeltern, meist Mütter, aber vereinzelt auch Väter, zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Und der, so Joachim Lukossek, tue allen Beteiligten gut. Man tauscht Sorgen aus, positive wie negative Erfahrungen, Frust, Alltag, Kniffe und Tipps — und erlebt, dass man mit seinen großen und kleinen Krisen nicht allein da steht.

Einmal im Jahr holt Lukossek dann alle Familien, die an diesem Austausch interessiert sind, zusammen — in diesem Falle ins Boot. Die Familien kommen mit Eltern und allen Geschwistern, zu gemeinsamen Unternehmungen und kommen ins Gespräch. Diesmal während der Tour auf der Niers.

Von Vinkrath aus ging’s über zweieinhalb Stunden bis zu einem Hof bei Wachtendonk, wo das Basislager bezogen wurde.

Auch hier, so Lukossek, steht dann wieder der Austausch im Mittelpunkt. Auch für die Kinder, die manchmal erstmals mitbekommen, dass auch andere Kinder nicht in ihrer ursprünglichen, sondern in einer Pflegefamilie leben. Sie merken: Ich bin nicht alleine in dieser Situation — anderen geht es auch so. Ein Stückchen Normalität.

Bei den Treffen von Eltern, Kindern und Jugendamt steht immer der Austausch im Mittelpunkt. „Mir kommt es auf eine möglichst optimale Unterstützung und Betreuung der Pflegeeltern an“, so Lukossek, der den „Nebeneffekt“, dass vor allem die Kinder ihn hier als Ansprechpartner, Paddler und klatschnassen Kumpel — und eben nicht als Behördenvertreter — erleben, gerne mitnimmt.

Auch als Außenstehender versteht man schnell, dass die Betroffenen bei Aktionen wie diesen erleben können, dass das Jugendamt für sie da ist. Und man bekommt eine Ahnung davon, dass das gemeinsame Paddeln im strömenden Regen weit mehr als eine willkommene Abwechslung ist — und der Regen eher eines der kleineren Probleme.

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