50 Meter wirken nach
Der Zug der Erinnerung steht bis heute in Viersen. Am Montag besuchten ihn Gymnasiasten aus Schiefbahn.
Viersen/Schiefbahn. Bahnhof Viersen, Gleis 5 und 6, Montagvormittag. Wie unterschiedlich die Eindrücke auf zurückgelegten 50 Metern an fast ein und derselben Stelle sein können — Eindrücke, nur zwei, drei Schritte voneinander entfernt aufgenommen.
An Gleis 5 warten Reisende, gehen auf dem Bahnsteig auf und ab. Sie schauen mal auf die Uhr, mal in die Ferne, mal auf den stillstehenden Zug auf dem Nachbargleis. Wer die 50 Ausstellungsmeter in dessen Waggons zurücklegt, kreuzt im Minutentakt die kurzen Biographien deportierter Kinder, schaut etwa in die Augen von Inge Kratzmann aus Leipzig, die neun Jahre alt ist, als sie deportiert wird und schließlich in Auschwitz stirbt. Abteil für Abteil, 50 bedrückende Meter, vorbei an Opfer-Porträts, Täter-Profilen, Massenvernichtung, bedrückenden Zeitzeugenberichten.
Der Zug der Erinnerung zieht diese Waggons. Seine Türen schließen sich nicht. Sie sind den ganzen Tag für Besucher geöffnet, bis die Waggons am Abend wegrollen müssen, um den Güterverkehr passieren zu lassen. Die Ausstellung, die vor allem an die Deportation der 1,5 Millionen Kinder, Opfer des Nationalsozialismus in Europa, erinnert, macht in Viersen drei Tage Station.
Besucher und Aussteller zugleich sind die Schüler der Klasse 9f des St. Bernhard-Gymnasiums. Politiklehrer Bernd-Dieter Röhrscheid und Stadtarchivar Udo Holzenthal begleiteten die Jugendlichen, die wochenlang über vier deportierte Kinder aus Schiefbahn und Anrath recherchiert haben.
Das, was sie an Informationen über Bruno Schönewald, Herbert Heumann, Ruth Rübsteck und Günter Laubinger zusammengetragen haben, ist auf vier Plakaten zu lesen, die im letzten Waggon hängen. „Für die Zukunft erinnern . . . Klasse 9f des St. Bernhard-Gymnasiums Willich-Schiefbahn“, schreibt Röhrscheid ins Gästebuch.