Von Hoppeditz bis Aschekreuz

Der Straßenkarneval tobt, die Narren haben das Zepter übernommen. Aber wo kommt das Brauchtum eigentlich her?

Niederrhein. „Schnipp-schnapp, Krawatte ab“: Gestern war der hohe Tag der alten Weiber. Start in den Straßenkarneval. Den Herren wurden ab 11.11 Uhr die Schlipse als Symbol der männlichen Macht abgeschnitten. Für sechs Tage herrscht im Rheinland Ausnahmezustand. Aber warum ist das eigentlich so? Und was bedeuten Begriffe wie Karneval oder Helau eigentlich?

Eines vorweg: Ganz eindeutig ist das alles nicht zu klären. Vieles kommt vom Hörensagen, und die Quellen sind nicht immer zu belegen. Fest steht aber, dass um das Jahr 600 herum Papst Gregor die Fastenzeit festlegte. 40 Tage vor Ostern sollten sich die Christen in Zurückhaltung üben. Damit sollte an die Zeit erinnert werden, die Christus in der Wüste verbracht hat. Die sechs Sonntage vor Ostern blieben von der Fastenzeit ausgenommen, so dass der Aschermittwoch der Starttag wurde. Er ist frühestens am 4. Februar, spätestens am 10. März. Die Büßer bekamen damals Asche auf das Haupt gestreut. Heute ist es ein Aschekreuz auf der Stirn.

Ursprünglich wurde dann ein Tag vor Beginn der Fastenzeit gefeiert, weil nun die „fleischlose Zeit“ begann — „carne vale“, wie es im Lateinischen hieß. Im Mittelalter erwuchs daraus ein mehrtägiges Fest. Schließlich stand den Katholiken eine lange Fastenzeit mit sexueller Enthaltsamkeit bevor, und alles Verderbliche wie Fleisch, Fett und Bier musste aus den Vorratskammern heraus. So wurden große Gelage mit Tänzen veranstaltet.

Die Kirche stand dem Treiben stets zwiespältig gegenüber. Einerseits begrüßte sie, dass die Menschen zur Fastenzeit standen und sich zuvor stärkten, andererseits wurde häufig so ausgelassen gefeiert, dass man die Kontrolle verlor. So sprach die Kirche von einer „teuflischen Zeit“ — und legte damit den Grundstock dafür, dass noch heute häufig Teufelsmasken und dämonische Fratzen im Karneval auftauchen.

Übrigens hat der Karneval seine Hochburgen meist in katholischen Gegenden. Nur dort gibt es die Fastenzeit. Deshalb sah die Reformation keinen Sinn in dem närrischen Treiben.

Mit der Zeit verkam das Fest zu einem reinen Besäufnis. Wiederbelebt zu einem richtigen Brauchtum wurde es dann in Köln. Dort wurden Vereine aus der Taufe gehoben, und 1823 fand der erste Rosenmontagszug statt. Dessen Name hat übrigens nichts mit Blumen zu tun. „Rosen“ geht zurück auf „Rasen“ und meint soviel wie toben und ausgelassen sein. Also so etwas wie ein „rasender Montag“. Weil viele das nicht wussten, erhielten die weiteren Karnevalstage Blumenbezeichnungen wie Nelkensamstag, Tulpensonntag oder Veilchendienstag.

Letzterer ist übrigens der Hochtag der Karnevalisten in Mönchengladbach. Während man sich in anderen närrischen Hochburgen bereits darauf vorbereitet, den Hoppeditz zu beerdigen oder den Nubbel zu verbrennen, zieht dort der Veilchendienstagszug. Auch beim Schlachtruf tanzen die Gladbacher mit ihrem „Halt Pohl“ (Halt die Stange) aus der Reihe.

Allgemein heißt es im Rheinland (abgesehen von abweichenden örtlichen Bräuchen) Helau oder Alaaf. Helau geht zurück auf den alten Begriff „hellauf“ und meint etwa „hell auflachen“. Daher kommt übrigens auch der Begriff „hellauf begeistert“. Alaaf heißt es vor allem in Köln. Das Wort bedeutet etwa „über alles“ und meint „Köln über alles“.

Generell wird im Karneval die bestehende Ordnung auf den Kopf gestellt. Deshalb werden an Altweiber die Rathäuser gestürmt und die Stadtschlüssel den Jecken übergeben. Und den Männern wird die Macht abgeschnitten . . .

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