Zu wenig Therapieplätze

Die Zahl der psychischen Erkrankungen ist nach Angaben der AOK auf einem hohen Niveau.

Kreis Viersen. Die Menschen im Kreis Viersen sind immer häufiger krank. Das ergab eine Analyse der AOK. Grundlage der Auswertung sind bei der Krankenkasse die Versicherten, die einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Im Kreis sind das 26 407 Menschen.

Im ersten Halbjahr 2011 lag der Krankenstand bei 5,91 Prozent. „Seit 2006 verzeichnen wir einen moderaten Anstieg der Krankheitsfälle“, sagt Gregor Mertens, stellvertretender Leiter des Instituts für betriebliche Gesundheitsförderung. Dieses Ergebnis sei ungewöhnlich: „Normalerweise ist der Krankenstand in ländlichen Regionen niedriger“, so Mertens. Obwohl immer mehr Geld für Medikamente ausgegeben werde, seien die Menschen noch längst nicht gesünder.

Als Faustformel gilt: Je älter die Versicherten, desto höher ist der Krankenstand. In der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen lag er in der ersten Jahreshälfte bei 2,84 Prozent, in der Altersgruppe ab 55 Jahren lag er laut AOK bei 4,81 Prozent. Dennoch sollte man in diesem Fall keine Fehlschlüsse ziehen: „Ältere Menschen sind nicht häufiger krank, sondern länger“, sagte Mertens.

Die meisten litten unter Atemwegserkrankungen: Die Zahl dieser Krankheitsfälle liegt bei 21,18 von 100 Mitgliedern der AOK. Auf Platz zwei, mit 17,47 Fällen, folgen Muskel- und Skelett-Erkrankungen. Etwa zwei Drittel davon waren laut Mertens Rückenprobleme.

Häufig machen sich psychische Erkrankungen zunächst durch Rückenschmerzen bemerkbar. „Irgendwann wirkt es sich auch auf den Körper aus, wenn man innerlich dauerhaft angespannt ist“, sagte Mertens.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen leicht gesunken. „Sie befindet sich aber immer noch auf hohem Niveau“, relativiert Manrico Preissel, stellvertretender Regionaldirektor der AOK. 25,96 Tage betrug im ersten Halbjahr durchschnittlich die Falldauer einer psychischen Erkrankung. 2010 waren es 27,31 Tage. Insgesamt hat die Zahl der Personen mit seelischen Problemen zugenommen.

Gründe dafür vermuten die Analysten in der Enttabuisierung des Themas. Es werde offener über Burnout und Depressionen gesprochen. In den Medien berichten Prominente von ihren seelischen Qualen. Betroffene trauten sich aufgrund dessen eher, zum Arzt zu gehen und sich helfen zu lassen.

Doch wer im Kreis Viersen eine Therapie beginnen möchte, muss laut AOK viel Geduld aufbringen. Drei bis vier Monate dauere es zum Teil, bis ein Platz frei werde, sagte Preissel. „Im Kreis gibt es viel zu wenige Therapieplätze.“

Als Ursachen für die Erkrankungen nannte Mertens eine zunehmende Belastung am Arbeitsplatz. Sowohl körperlich als auch psychisch. Auch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung trage wohl ihren Teil zur Steigerung dieser Fälle bei.

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