Viersen: Sexueller Missbrauch - Das dunkle Gesicht der Kirche

Bistum gibt bei Diskussion in Viersen Fehler zu.

Viersen. Wut und Enttäuschung - diese beiden Gefühle haben eine in der Form im Bistum Aachen bislang einmalige Veranstaltung geprägt.

Im neuen "Haus der Caritas" in Viersen äußerten sich jetzt ein katholischer Geistlicher, der Vertreter einer Opferschutzorganisation sowie ein Arzt und Psychotherapeut zum Thema "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch Priester".

Im Fokus stand der Fall des aus Willich stammenden und früher unter anderem in Nettetal tätigen Pfarrers Georg Kerkhoff, der sich derzeit in Südafrika wegen sexueller Belästigung von Kindern während der Auslandsseelsorge vor Gericht verantworten muss.

Auch die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittelt nach einer Selbstanzeige in Deutschland - der 52-jährige Priester hatte eingestanden, Kinder sexuell missbraucht zu haben.

Beobachter erlebten in Viersen einen Abend schonungsloser Offenheit: Pfarrer Heiner Schmitz, Leiter der Hauptabteilung Pastoralpersonal des Bischöflichen Generalvikariats in Aachen, sprach vor den zahlreichen Zuhörern vom "dunklen Gesicht der Kirche".

Schmitz gab als zuständiger Bistumsvertreter auf dem Podium zu, den Fall Kerkhoff trotz anonymer Hinweise ab 2003 ("pastorale Saunagänge mit teils minderjährigen Ministranten") lange falsch eingeschätzt zu haben.

Seinen Angaben zufolge hat er erst Anfang dieses Jahres, als ein ihm bekannter Vater vom Missbrauch eines mittlerweile erwachsenen Jungen am Niederrhein berichtete, das Ausmaß erkannt. "Ich bin vorher nicht davon ausgegangen, dass er hier im Bistum Aachen missbräuchlich tätig gewesen ist", sagte Pfarrer Schmitz.

"Ich würde es heute anders machen, das ist mein persönliches Eingeständnis."

Auch das Publikum, darunter Vertreter der betroffenen Gemeinden am Niederrhein und sogar aus Johannesburg, meldete sich immer wieder zu Wort, wie es von den Veranstaltern Bistum und Anti-Missbrauchs-Initiative gewünscht worden war.

Ein ehemaliger Kirchenvorstand zeigte sich überrascht, dass es bereits vor sieben Jahren Hinweise gegeben habe. "Offenkundig hat es Informationen gegeben, die nicht an die Verantwortlichen vor Ort gegeben worden sind. Wir stehen jetzt ziemlich dumm da!"

Wie stark solche Geschehnisse das Gemeindeleben belasten, wurde in einem Brief deutlich, den eine Mutter aus Südafrika vorlas. Darin ist von einem "Redeverbot" für die dortige deutsche Gemeinde die Rede, und davon, dass die Betroffenen ausgegrenzt worden seien. "Eine Stellungnahme der katholischen Kirche haben wir bis heute nicht erhalten."

Nach Ausführungen des Aachener Arztes Professor Frank Löhrer zum Thema ("Wir finden sexuellen Missbrauch immer und überall dort, wo es Jugendarbeit gibt"), ergriff Johannes Heibel das Wort. Der Vorsitzende der "Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen" beschäftigt sich seit Mitte 2008 mit dem Fall Kerkhoff.

"Die Opfer erwarten zunächst einmal, dass jemand mit ihnen spricht", sagte Heibel und betonte die lebenslangen Folgen des Missbrauchs. Sein Fazit nach zweieinhalbstündiger Diskussion: "Das Schweigen muss ein Ende haben."

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