Viersen: Provokation mit Kreuz

Ein groß angelegtes Projekt von Ludger Hinse macht auch in Viersen Station. Heute ist Eröffnung.

Viersen. Ludger Hinse ist das, was man gemeinhin einen "echten Typen" nennt: Über dem Blaumann trägt der 1948 geborene Künstler eine schwarze Arbeitsweste. Auf dem Kopf, auf dem hinten noch Haar bis zu den Schultern wächst, sitzt ein wollenes Matrosen-Käppi. Mit dröhnender Bass-Stimme spricht der stattliche Westfale über das Projekt seines Lebens: "Das Kreuz mit dem Kreuz".

Ende der 90er-Jahre habe er in Chile zu tun gehabt. Dort stößt er auf die Geschichte der Mütter, die mit Demonstrationen auf das Verschwinden ihrer Kinder während der Militär-Diktatur aufmerksam machen wollten. "Vorneweg wurden drei einfache Holzkreuze getragen", erzählt Hinse, "als Schutz vor dem Zugriff des Militärs." Der Besucher aus Deutschland ist wie elektrisiert: "Das war eine tolle Geschichte, ich habe noch in der Nacht angefangen, Kreuze zu zeichnen."

Einige Jahre später kann er auf ein gewaltiges Werk im Zeichen des Kreuzes blicken: in zwei Jahren 77Ausstellungen mit rund 90 einzelnen Arbeiten in 21 NRW-Städten. Viersen, wo am Sasmtag die Ausstellungen eröffnet wird, ist Stadt Nummer 20. "Ich wurde von zwei Damen überredet, auch hierhin zu kommen", sagt er. Gemeint sind Kulturreferentin Tanja Muschwitz und Mitarbeiterin Jutta Pitzen.

Doch er stellte Bedingungen: "Wenn Sie es nicht schaffen, Kooperationspartner zu finden, komme ich nicht." Ludger Hinse hatte nach eigener Aussage einfach keine Lust mehr, nur für Kunstkenner in Museen auszustellen. Und so holte die Stadt Viersen die katholische und die evangelische Kirche mit ins Boot: Nicht nur in der Galerie im Park, sondern auch in der Remigiuskirche und in der Kreuzkirche sind Arbeiten zu sehen - aus Eisen, Acryl, Marmor und sogar aus Tabletten Hinse: "Ich bin vor fast nix fies."

"Das Kreuz mit dem Kreuz" ist eine provokante, zum Teil verstörende Ausstellung. In der Galerie finden sich gewaltige Balken als verkürztes Hakenkreuz. "Ein Symbol des Missbrauchs" nennt es der, der es geschaffen hat. "Die zweite Kreuzigung Jesu Christi" zeigt das Antlitz des Schmerzensmannes in der Mitte und rundherum Grauen erregende Leichenfotos, gemacht in Konzentrationslagern der Nazis. Für Irritationen werden laut Hinse auch seine großen "Leidensköpfe" sorgen, die ab sofort an langen Stahlseilen in St.Remigius hängen: "Ich will provozieren und Auseinandersetzungen bewirken."

Vom örtlichen Begleitprogramm mit Workshops für Kinder und Jugendliche, Führungen und Meditationen zeigt sich der Künstler begeistert: "Es ist stärker als das in Köln - auch wenn da die Kirchen größer sind."

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