Hunde in Viersen Amy ist leidenschaftliche Müllsammlerin

Viersen. · Jeder Spaziergang ist für die Hündin mit einer ehrenhaften Aufgabe verbunden: Sie sammelt, was nicht in die Natur gehört.

 Voll in ihrem Element: Australian Shepherd Amy sammelt auf jedem Spaziergang Müll ein. Die Fundstücke tauscht sie bei Frauchen Gabi Schneider-Freund gegen ein Leckerli.

Voll in ihrem Element: Australian Shepherd Amy sammelt auf jedem Spaziergang Müll ein. Die Fundstücke tauscht sie bei Frauchen Gabi Schneider-Freund gegen ein Leckerli.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Hündin Amy sitzt wieder mal vor Gabi Schneider-Freund und schaut sie auffordernd an. „Die ist echt der Knaller“, sagt Schneider-Freund, nimmt Amy die Schokoriegel-Verpackung aus dem Maul und gibt ihr ein Trockenfutter-Leckerli. Amy frisst es flott auf, peilt das nächste Gebüsch an und hat schon wenige Augenblicke später wieder etwas im Maul. Diesmal einen ausgedienten Staubsaugerfilter, den sie natürlich sofort ihrer Besitzerin präsentiert. So ist es fast immer, wenn die beiden spazieren gehen: Die Hündin liest auf, was Menschen auf Wegen, Wiesen, in Gebüschen und Beeten an Abfall hinterlassen. Steine, Stöcke – eben Naturprodukte, ignoriert sie. „Müll sammeln ist ihr Hobby“, sagt Schneider-Freund. Gerade in Zeiten, in denen Umweltschutz in der Gesellschaft eine immer größere Rolle spielt, ein ziemlich nützliches Hobby. Die fleißige Müllsammlerin war sogar schon in zwei Fernsehsendungen zu sehen.

Amy, ein Australian Shepherd, ist zehn Jahre alt. „Alles fing an, als mein Mann eine Hüft-Operation hatte und sich nicht bücken durfte“, sagt Schneider-Freund, Vorsitzende des Vereins Freundliche Hunde Viersen. Die Hundetrainerin beschloss, Amy einzubinden: Sie brachte der damals sechs Monate alten Hündin bei, Gegenstände aufzuheben und ihrem Mann zu bringen. Zum Beispiel Kugelschreiber, Socken oder die Fernbedienung. Irgendwann war der Ehemann wieder fit, doch Amy machte weiter damit, Gegenstände aufzusammeln und ihrer Familie zu bringen. „Wenn mir zu Hause eine Gabel runter fällt, hebt sie diese auf“, erzählt Schneider-Freund. Draußen konzentriert sich das Tier augenscheinlich auf Gegenstände, die dort in der Natur nicht hingehören.

Ihr sei Amys Verhalten aufgefallen, als die Hündin etwa eineinhalb Jahre alt war, erzählt Schneider-Freund. „Für uns ist das längst ganz normal“, ergänzt die 50-Jährige. Das Besondere: „Amy macht das ganz selbstständig, ohne Kommando“, erklärt sie. Allerdings: Wenn die beiden unterwegs sind und die Hündin ihrer Halterin Müll bringt, wird sie mit einem Leckerli belohnt. „Ich könnte Amy das abgewöhnen“, sagt Schneider-Freund. „Aber warum sollte ich? Was sie tut, ist ja etwas Positives.“

Selbst an einem Waschetikett kann Amy nicht vorbeigehen

Eine Salatschüssel aus Plastik hat Amy schon mal im Wald aufgelesen, sie findet häufig Verpackungen von Süßigkeiten, Taschentücher, Papierfetzen, leere Zigarettenschachteln, Schnapsfläschchen. Selbst an einem nur daumengroßen abgerissenen Waschetikett eines Kleidungsstücks kann sie nicht vorbeitrotten, ohne es aufzusammeln. Schneider-Freund nimmt sich immer vor, nicht ohne Mülltüte zum Spaziergang aufzubrechen. „Aber ich vergesse die immer“, sagt sie – und hat deshalb meist schon nach wenigen Minuten unterwegs die Taschen und Hände voll. „Ich kann das ja nicht einfach wieder hinschmeißen. Das ist gegen meine Natur“, erzählt sie. Immerhin: „Ich kann Amys Verhalten auch unterbinden. Wir haben ein Abbruch-Wort“, betont die Hundetrainerin. Spricht sie das Wort aus, weiß Amy, dass sie für den Rest des Spaziergangs keinen Unrat mehr zu ihrer Halterin tragen soll.

Schneider-Freund ist nicht nur seit zehn Jahren Vereinsvorsitzende, sondern seit fünf Jahren Inhaberin einer Hundeschule in Viersen. Die Hundehalter, die dort mit ihren Tieren trainieren, kennen Amy und ihr Hobby. Bisher habe noch keiner der Hundehalter gefragt, ob sie seinem Hund auch das Müllsammeln beibringen könne, erzählt Schneider-Freund. Aber wenn die Nachfrage da sei, „könnte ich einen Kurs anbieten“.

Bevor ein Hund lernen könne, gezielt Abfall aufzuheben, müsse er apportieren können, erklärt Schneider-Freund. „Später kann man dann selektieren, was man belohnt.“ Bringt der Hund also seinem Halter zum Beispiel einen Ast, bekommt er nichts; bringt er ein Stück Plastik oder anderen Abfall, bekommt er eine Belohnung – wie Streicheleinheiten, Leckerli oder ein gemeinsames Spiel, erläutert die Trainerin.

Amy sei „ein ganz lieber, harmoniebedürftiger Hund“, sagt Schneider-Freund. „Hier in der Hundeschule ist sie meine Co-Trainerin“, ergänzt sie. So ist Amy etwa Streitschlichterin, wenn andere Hunde aneinander geraten. Außerdem macht sie mit Schneider-Freunds achtjähriger Enkelin Agility und führt gemeinsam mit einer Trainerin in einem Kurs für Acht- bis Elfjährige Tricks vor, die sie mit ihren Hunden nachmachen können. Auch Amys Tochter Josie, die wie sie bei Familie Schneider-Freund lebt, ist in den Schulbetrieb eingebunden: Die sechsjährige Hündin sei sehr nervenstark, könne gut beruhigend auf andere Hunde einwirken, die aggressiv seien, erklärt Schneider-Freund. Das Hobby ihrer Mutter teile Josie allerdings nicht – Müll lässt sie eher links liegen. Amys Verhalten färbt ab: „Neulich habe ich  in einer Bankfiliale einen Zettel auf dem Boden liegen sehen – da konnte ich nicht anders, ich musste ihn aufheben“.

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