Tag der vermissten Kinder: Zwischen Hoffen und Bangen

Wenn jemand vermisst wird, beginnt eine schwere Zeit für Angehörige. Am Montag war der Tag der vermissten Kinder.

Niederrhein. Zuletzt wurde sie von ihren Mitschülern gesehen. Dann fehlte jede Spur von Judith Spiller. Es war der 9. Februar, als die 14-Jährige aus Wesel nicht mehr nach Hause kam und für die Eltern Wochen der Angst und des Bangens anfingen.

Suchtrupps der Polizei fahndeten nach Judith - zahlreiche Beamte durchkämmten Wiesen und Wälder, setzten Boote auf der Lippe ein, gingen sogar mit dem Hubschrauber auf Suche. Gleichzeitig verschickten Leute aus Wesel und Umgebung, die vom Fall ergriffen waren, Kettenmails.

Darin: eine Beschreibung Judiths und die Bitte, Hinweise an die Polizei weiterzuleiten. Davon gingen über 100 bei den Beamten ein. Zwischenzeitlich wurde das Fahrrad von Judith gefunden. Doch von ihr selbst fehlte immer noch jede Spur - bis zum 18. März, dem Tag, an dem die Wasserschutzpolizei die 14-Jährige tot aus der Ijssel barg und die Eltern traurige Gewissheit hatten, was mit ihrer Tochter geschehen war.

Fälle wie der von Judith Spiller gewinnen am Tag der vermissten Kinder an Aktualität. Der Tag soll erinnern an diejenigen, die von ihren Angehörigen vermisst werden und die Menschen sensibilisieren und informieren, wie sie sich richtig verhalten, sollten sie jemanden vermissen.

Das Bundeskriminalamt zählte im Juli 2007 etwa 6400 Vermisste in ganz Deutschland - darunter solche, die nach wenigen Tagen heimkehrten, aber auch jene, die seit 30 Jahren nicht mehr gesehen wurden. "Denn so lange muss eine Akte verwahrt werden. Es kann ja immer noch ein Hinweis kommen. Und dann werden wir wieder aktiv", sagt Richard Pardon, Kriminalhauptkommissar bei der Polizei in Krefeld. "Aber so einen Fall haben wir in Krefeld derzeit nicht."

Etwa fünf Prozent der Vermisstenfälle enden mit einer Straftat oder mit einem Unglück. "Aber auch wenn es den einen oder anderen Fall gibt, bei dem ein Verbrechen vorliegt, muss klargestellt werden: Das ist eher die Ausnahme. 85 Prozent der Fälle enden nach ein paar Tagen völlig undramatisch", sagt Pardon.

Erfahrungsgemäß klären sich laut Statistik des BKA etwa die Hälfte aller Vermissten-Fälle innerhalb der ersten Woche, nach einem Monat sind es bereits 80 Prozent. Der Anteil der Personen, die länger als ein Jahr vermisst werden, liegt bei gerade einmal drei Prozent.

Im Kreis Viersen war im vergangenen Jahr die Erfolgsquote noch besser. Dort wurden bei der zuständigen Polizei rund 800 Vermisstenfälle angezeigt. "Und alle konnten wir klären. Aktuell haben wir keinen langfristig Vermissten", sagt Polizeisprecher Wolfgang Wiese.

Dass die Fahndung nach Personen meistens erfolgreich ist, ist aber sehr stark vom Verhalten der Angehörigen abhängig. "Je schneller gehandelt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Kind oder den Jugendlichen wieder finden", sagt Wiese.

Dazu klärt Pardon auf: "All das, was in den Filmen immer gesagt wird, dass erst nach 24 oder 48 Stunden jemand als vermisst gilt, ist Unsinn. Die Eltern sollten sofort kommen." Wenn sie Anzeige erstattet haben, wird das nähere Umfeld der Kinder und Jugendlichen abgesucht. "Meistens finden wir die dann schon", sagt Pardon.

Oft seien die Kinder entweder an bekannten Plätzen im oder rund um das eigene Zuhause oder einfach auch aus Frust abgehauen. "Das ist besonders bei Jugendlichen häufig mal der Fall", sagt Wiese.

Ist aber die Suche im näheren Umfeld und die Befragungen von Freunden und Bekannten ohne Erfolg, werden größere Einheiten von der Polizei angefordert, um die Fahndung auszuweiten - so wie es im Fall Judith Spillers geschehen war.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort