Streupflicht: Stadt darf sich drücken, der Bürger nicht

Während die Kommunen sich darauf zurückziehen können, nur noch Hauptstraßen zu räumen, müssen Hauseigentümer ihre Gehsteige freihalten.

Niederrhein. Die Städte und Gemeinden haben ihre Vorräte an Salz, Sole und Splitt nach dem mittleren Verbrauch der vergangenen Jahre bestellt, teilweise bereits im Dezember nachgeordert - aber auch sie müssen damit leben, dass im Augenblick die Hersteller von Streusalz Lieferprobleme haben, denn fast ganz Europa liegt unter der weißen Pracht.

Auch in den Bau- und Supermärkten gehen die Vorräte an Streumitteln sowie Schneeschiebern für Otto Normalverbraucher zur Neige. Meist heißt es: "Leider ausverkauft."

Und dann? Was kann man tun, wenn man als Anwohner gern seiner Streupflicht nachkommen würde, aber absolut keine Materialien mehr dafür bekommt? Was ist, wenn dann auf glattem Bürgersteig jemand stürzt? Zahlt dann meine Versicherung? Hätte ich auch 50 Kilometer fahren müssen, um noch etwas zu ergattern? Oder trifft vielleicht den Fußgänger ein Mitverschulden, weil es eine Extremwetterlage ist und er sehen konnte, dass dort Schnee liegt?

"Mit solchen Fragen werden sich wohl im Nachhinein die Gerichte beschäftigen müssen", sagt Horst Pawlik, Sprecher des Bezirks mittlerer Niederrhein im Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute. Unabhängig davon gilt die jeweilige Ortssatzung, nach der zumeist die Grundstückseigentümer verpflichtet sind, zwischen 7 oder 8 Uhr morgens und 20 Uhr abends zu räumen. Falls wirklich jemand stürzt, empfehle sich, so Pawlik, eine Haftpflichtversicherung, die dann klärt, ob wirklich ein Verschulden des Räumpflichtigen vorliegt.

Vieles ist bei der Räumpflicht eine Sache der Verhältnismäßigkeit. "Wenn ein Hauseigentümer 15 oder 20 Meter Gehsteig räumen muss, dann ist das zumutbar", sagt Wolfgang Halberkann, Leiter der städtischen Betriebe Viersen. "Wenn wir 350 Kilometer Straßen gleichzeitig freimachen sollen, geht das natürlich nicht."

In Viersen werden noch die Hauptverkehrsstraßen geräumt, "punktuell setzen wir abstumpfende Mittel ein, das ist von der Situation abhängig". Denn Salzlieferungen gibt es nicht mehr - noch nicht mal mehr in Aussicht gestellte Liefertermine.

Mit dem sparsamen Verhalten sei gewährleistet, dass die Vorräte auch noch bis in die nächste Woche reichen. In Schwalmtal gilt ab sofort: Nur noch Hauptstraßen werden weiterhin mit Salz gestreut, sagt Bernd Gather von der Gemeinde. Der Kreis Kleve teilte seinen wetterfesten Radlern mit, dass 80 Kilometer Radwege nicht mehr mit Salz gestreut werden könnten.

Es kostet 33,50 Euro im Internet und ist sogar reflektierend - das Schild "Eingeschränkter Winterdienst". Städte und Gemeinden dürfen es aufstellen und so den Bürger darauf aufmerksam machen, dass er hier bitte aufpassen muss, weil nicht geräumt und gestreut ist. Als Privatperson kann man das Schild zwar kaufen, die Aufstellung nutzt aber nichts.

Warum kann eine Gemeinde die Pflicht auf die Bürger übertragen, muss selbst aber nicht alles räumen? Auch hier greift wieder die Verhältnismäßigkeit. Im Wesentlichen werde der Winterdienst einer Gemeinde von ihrer Leistungsfähigkeit bestimmt. Eine allgemeine Räum- und Streupflicht für die Fahrbahnen aller Gemeindestraßen bestehe nicht. Sagt zumindest ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom Januar 2009.

Nur "verkehrswichtige und gefährliche Stellen" seien zwingend zu räumen. Auch Steigungen, Kurven und Unfallschwerpunkte seien vorrangig zu räumen. Anwohner einer Anliegerstraße hatten sich ungerecht behandelt gefühlt, weil sie ihre Bürgersteige räumen mussten, die Gemeinde aber ihre Straße nicht streute.

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