Nikolaus kommt für Petrus

2008 verkleinerte sich das Geläut von St. Marien — wegen einer Rückführung nach Polen. Nun gibt es klingenden Ersatz.

Viersen. Mit 313 Kilogramm bringt sie etwas weniger auf die Waage als ihre Vorgängerin, rund 27 Kilo. Damit wird auch sie das Leichtgewicht im Geläut-Quintett sein — denn die anderen vier Exemplare im Turm von St. Marien in Hamm sind zwischen 420 und 2100 Kilogramm schwer. Gemeint ist die Nikolaus-Glocke, die noch vor Weihnachten in über 30 Metern Höhe hängen und weithin zu hören sein soll (siehe Info-Kasten).

Damit findet ein Stück bewegter europäischer Geschichte ein glückliches Ende. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die im 17. Jahrhundert gegossene Petrus-Glocke aus Langenau bei Danzig (heute das polnische Legowo) zum „Glockenfriedhof“ nach Hamburg gebracht. „Sie sollte dann eigentlich eingeschmolzen werden“, erzählt das Viersener Gemeindemitglied Willi Höckels. Der 69-Jährige beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit diesem Thema.

Doch die Glocke fiel nicht der Rüstungsindustrie zum Opfer. Da ihre Heimat nach dem Krieg zum Ostblock gehörte, wurde sie 1954 in den tiefen Westen geschickt — zuerst in die Dülkener Herz-Jesu-Pfarrei, dann nach Hamm, wo sie 50 Jahre lang ihren Dienst tat.

Bis 1986 läutete sie allein (Ton c), dann kamen vier weitere Exemplare hinzu: die Marien-Glocke, die Paulus-Glocke, die Familien-Glocke und die Josef-Glocke. „1986 glaubte noch keiner, dass bald der Eiserne Vorhang fällt“, erzählt Höckels.

Doch bekanntlich geschah genau das wenige Jahre später. Und so konnte die Leihglocke nach über einem halben Jahrhundert wieder „nach Hause“ gebracht werden. „In Polen wurde die Rückkehr als großes Fest zwischen den Völkern gefeiert“, erinnert sich der Viersener.

Seine Gemeinde sparte daraufhin für eine klingende Nachfolgerin — benannt nach der Nikolauskirche in Legowo. „Und jetzt sind wir wieder komplett“, freut sich Willi Höckels über die Glocke Nummer fünf.

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