Niederrhein: Zahnprothese vom Computer

Beim Zahnersatz bricht ein neues Zeitalter an. Künftig braucht man keine Modelliermasse mehr. Die Daten kommen per Scanner-Kamera.

Niederrhein. Wachs war gestern. Surren ist heute. Christina Krapohl hat das Modell gerade in den Scanner eingepasst und beobachtet durch die dunkle Scheibe aufmerksam, wie das Werkstück aus verschiedenen Winkeln abgetastet wird.

Anschließend kann sie am PC-Bildschirm die endgültige Form der Krone festlegen. Erst danach gehen die Daten per Leitung an das Fräszentrum, das, vergleichsweise unauffällig, hinter ihr steht. Es ist das erste Fräszentrum seiner Art in der Region.

Der Korschenbroicher Zahntechnikermeister Wilfried Mauntel öffnet den unscheinbaren schlanken, und doch mehrere hunderttausend Euro teuren Schrank, um einen Blick in das Innenleben der Hochleistungsfräse zu ermöglichen: "Der Automat holt sich die passenden Werkzeuge heran, die er braucht und beginnt dann, den Rohling zu bearbeiten." Der Vorgang selbst laufe ohne menschliches Zutun ab. Dann fräst laut Mauntel die Maschine, ähnlich wie die "Kollegen" in der Schwerindustrie, die gewünschte Form innerhalb von Minuten aus. Zum Schluss wird das Werkstück gehärtet.

Die schweißtreibende und aufwändige Zeit scheint endgültig vorbei, in der Zahntechniker mit Hilfe von viel Wärme erst in "fiesseliger" Arbeit ein Wachsmodell herstellen, dann den künftigen Zahnersatz gießen, brennen und aufwändig bearbeiten müssen, damit schließlich die Feinarbeiten an den "guten Stücken" gemacht werden können.

Das Berufsbild werde sich in den kommenden Jahren völlig ändern, sagt Mauntel. Die alten Bunsenbrenner in der zahntechnischen Werkstatt hätten dann keine Chance mehr. "Außerdem arbeitet die neuartige Maschine präziser als jeder Mensch", sagt Zahntechniker Mauntel.

Mit dem 700 Kilogramm schweren Fräszentrum wird vor allem der Superstoff Zirkonoxid bearbeitet, der in der Automobilindustrie als Bremsbelag bekannt ist.

"Zirkonoxid ist eine extrem belastbare Hochleistungs-Keramik, der Hammerschläge nichts ausmachen ebensowenig wie Temperaturen von 1400 Grad Celsius", sagt Mauntel. Sie habe den Vorteil, dass Rissbildungen vermieden werden und sie jede gewünschte Farbe annehme.

Wilfried Mauntel hat sein Fräszentrum als ersten Schritt zur vollautomatischen "Kappenherstellung" eingerichtet. In naher Zukunft, wahrscheinlich schon im kommenden Jahr, sei es möglich, Kronen ohne den Umweg über das Modell zu fertigen: "Der Zahnarzt wird eine kleine Scanner-Kamera direkt in den Mund des Patienten einführen, mit deren Hilfe die nötigen Daten dann sofort in das Fräszentrum geschickt werden." Der Vorteil liegt auch darin, dass dem Patienten die unangenehme Modeliermasse im Mund erspart bleibt.

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