Niederrhein: Das „schlechte Händchen“

Sind umerzogene Linkshänder benachteiligt? Die WZ machte den Selbsttest – bei Beraterin Barbara Herchenhan.

Niederrhein. Nein, ich leide nicht. Bin weder gestört, habe keine Depressionen, stottere nicht, keine Gedächtnislücken und hatte sogar Mathe als drittes Abiturfach. Obwohl ich umerzogener Linkshänder bin, Opa sei "Dank". Den Umerzogenen wird ja einiges nachgesagt. Deshalb habe ich mich mit meinen 46 Jahren auf Spurensuche begeben.

Und bin im ländlichen Vorst gelandet. Dort, in einem netten Einfamilienhäuschen, wohnt Barbara Herchenhan mit ihrem Mann und drei Kindern. "Oh, Sie sind Linkshänder" begrüßt mich die 51-Jährige mit Kennerblick. Als ich das Notizbuch zücke und mit rechts die ersten Worte aufs Papier kritzele, bekommen ihre Züge einen mitleidigen Eindruck: "Oje, Sie müssen sich aber anstrengen."

Barbara Herchenhan ist Linkshänder-Beraterin. Und natürlich selbst betroffen. "Ich bin als Kind wie Sie umerzogen worden und habe mich dann mit Mitte 30 nach der Methode von Dr.Sattler wieder auf meine linke Hand konzentriert", sagt die gebürtige Kempenerin.

"Es gibt nur Linkshänder und Rechtshänder, nichts dazwischen", räumt Barbara Herchenhan gleich mit einem gängigen Vorurteil auf. Im Laufe des Gesprächs werde ich immer ruhiger und bin am Ende ein wenig stolz, Linkshänder zu sein. Zu jener Gattung Mensch- geschätzt ist jeder fünfte Linkshänder - zu gehören, deren rechte Gehirnhälte dominiert. Die im Sport, beispielsweise Tennis, jeden Gegner mit einer "tödlichen Linken" zur Weißglut bringen können. Die phantastische räumliche Vorstellungen besitzen, künstlerisch veranlagt und oft Schöngeister sind.

Aber das Schwärmerische ist nicht die Art von Barbara Herchenhan. "Ich will lediglich, dass die vielen linkshändigen Kinder ihrer Natur nach tätig werden können", sagt sie. Klar gebe es mittlerweile viele Linkshänder-Artikel wie Schere, Spitzer, Portmonee, Zollstock, Kartoffelschäler oder Lineal. Aber die Industrie würde mehr produzieren, wenn die Linkshänder sich trauen würden und lauter "hier" rufen würden, ist die Expertin überzeugt.

Sie stößt damit auf ein immer noch weit verbreitetes gesellschaftliches Phänomen: Die linke Hand gilt immer noch als die schlechte; sinister- das heißt links, wird aber auch schon mal für linkisch verwendet. Im Verkehr gilt "rechts vor links". Der "rechte Weg" ist halt immer der tugendhafte. "Die Schlechten sitzen schon in der Bibel zur Linken von Jesus", verweist Barbara Herchenhan auf die kulturgeschichtliche Komponente, die den "Linken" das Leben schwer macht.

Akzeptanz und Verständnis zu schaffen in Kindergärten, Schulen, Behörden- das hat sie sich auf die Fahne geschrieben. In Krefeld wird ihre Beratung gerne in Anspruch genommen, im Kreis Viersen ist es da schon schwieriger. "Ich könnte mir gut vorstellen, so etwas wie die Linkshänder-Beauftragte in der Viersener Kreisverwaltung zu sein", sagt sie in Anlehnung an Posten wie Gleichstellungs- oder Ausländer-Beauftragte.

Dafür scheint die Zeit noch nicht reif. Aber Barbara Herchenhan bleibt dran. Schließlich ist sie Linkshänderin und hat im Erwachsenenalter eine schwierige Umschulung am eigenen Leib erfahren. Das baut auf.

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