Mutter erstochen: Viersener hat keine Erinnerung an Tat

Er glaubt, dass seine Mutter noch lebt.

Viersen. Der 28-jährige Benjamin R. aus Viersen lebt in einer eigenen Welt. Warum er am Donnerstagmorgen seine 63-jährige Mutter mit rund 20 Messerstichen tötete und auch den Familienhund erstach, wird er den Ermittlern vermutlich nie erzählen können. In einem lichten Moment während seiner Vernehmung verriet er den Beamten, dass er das Fleischermesser im Schrank in seinem Zimmer hinter der Wäsche versteckt hat. Ansonsten konnte er noch keine Erinnerung an die Tat abrufen. Er glaube, dass seine Mutter noch lebe, so Mordkommissionsleiter Ingo Thiel.

Benjamin R. war erst einen Tag vor der Tat aus der Süchtelner Klinik des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) entlassen worden. Dort war er ohnehin "Drehtürpatient", wie es Thiel ausdrückte. Kaum draußen, schon wieder drin. Von November bis März hatte er sogar fast fünf Monate dort verbracht - allerdings auf eigenen Wunsch. Nun wollte er nicht bleiben. Deshalb hatte sein Betreuer - aufgrund seiner wahnhaften Erkrankung hatte er einen solchen - beantragt, dass er zwangsweise dort behalten werden sollte. Die Klinik hatte diesen Antrag untermauert mit einem Attest - und einem Gespräch der behandelnden Ärztin mit dem zuständigen Richter beim Vormundschaftsgericht.

Darüber, wie dieses Attest zu verstehen war, gehen die Meinungen beim Landschaftsverband und beim Gericht auseinander. "Aus dem ärztlichen Attest vom 18.05.2010 ergibt sich lediglich, dass eine erneute stationäre Behandlung zur Wiedereinstellung der Medikation erfolgen sollte. Zu einer vom Gesetz geforderten Gefahr der Selbsttötung oder der Zufügung erheblicher gesundheitlicher Schäden, die Voraussetzung der Genehmigung einer zwangsweisen Unterbringung ist, ergibt sich aus diesem Attest nichts", heißt es in einer Presseerklärung des Gerichts.

Der Landschaftsverband hat einen Satz aus dem Attest zur Veröffentlichung freigegeben, in dem dagegen steht: "Daher ist eine erneute stationäre Behandlung zur Wiedereinstellung der Medikation unter geschlossenen Bedingungen erforderlich, um eine Gefährdung des Patienten durch seine chaotischen Verhaltensweisen zu verhindern."

Klar ist, dass keiner der behandelnden Ärzte eine Fremdgefährdung in Betracht zog. Dafür habe es "in der bisherigen Behandlung keinerlei Anzeichen" gegeben, so der LVR. Auch, wenn man nun mit dem Wissen um die Tat zurückblicke, finde man keine Warnhinweise.Seine Mutter, so haben die Ermittler herausgefunden, sei seine besondere Bezugsperson gewesen, die er sehr geliebt habe. Auch dem Hund habe er große Zuneigung entgegengebracht.

Benjamin R. ist inzwischen in einer Klinik des LVR in Essen untergebracht worden.Staatsanwalt Stefan Lingens geht davon aus, dass der 28-Jährige schuldunfähig ist. Das bedeutet: Statt einer Anklage würde es ein Sicherungsverfahren geben, um ihn dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung unterbringen zu lassen.

Als Jugendlicher schien Benjamin R. sein Leben noch im Griff gehabt zu haben. Er lernte Fräser bei Mercedes in Düsseldorf, arbeitete auch dort. Wegen seiner Erkrankung konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben. Auf Nachfrage bestätigte Mordkommissionsleiter Thiel auch, dass R. "mit Drogen zu tun hatte", es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die seine Krankheit ausgelöst oder ihren Verlauf beschleunigt hätten.

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