Wegen Unfällen im Kreis Viersen Immer mehr Verletzte durch Pedelecs

Kreis Viersen. · Fahrräder mit Batterieunterstützung oder -antrieb sind für Senioren attraktiv. Doch oft werden die deutlich höhere Geschwindigkeit und das nachlassende Reaktionsvermögen unterschätzt.

 Gerade Senioren unterschätzen oft das Pedelec – und landen nach einem Unfall in der Notaufnahme.

Gerade Senioren unterschätzen oft das Pedelec – und landen nach einem Unfall in der Notaufnahme.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Rauf aufs Pedelec – und los! Doch für viele, oft ältere Radler, endet die entspannte Fahrt mit dem elektrogestützten Rad in der Notaufnahme. „Wenn Menschen sich im Alter zu mehr Bewegung entscheiden, ist das prinzipiell gut“, sagt Peter Könings, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Viersen. „Aber: Die Zahl der Fahrradunfälle steigt. Wir haben mehr Patienten, die mit dem Pedelec oder E-Bike stürzen.“ Sehr hoch sei die Zahl der Fußverletzungen.

Ähnliche Erfahrungen haben auch die Mediziner in Viersen-Süchteln gemacht: „Wir behandeln in der Notaufnahme immer mehr Patienten, die mit einem E-Bike oder Pedelec gestürzt sind“, sagt Uwe Platte, Chefarzt der Unfallchirurgie am St.-Irmgardis-Krankenhaus. Typisch seien Verletzungen am Kopf, an den Schultern, an den Handgelenken oder an den Hüftgelenken.“

Regelmäßig meldet die Polizei Unfälle und Stürze von älteren Radfahrern, die mit modernen Rädern unterwegs sind. Laut Verkehrsunfallstatistik verletzten sich im Jahr 2017 im Kreis Viesen 83 Menschen, die älter als 65 Jahre waren, als Rad- oder Pedelecfahrer. „Im vergangenen Jahr war diese Zahl um 25 Prozent auf 108 Verletzte in dieser Altersgruppe gestiegen“, erklärt ein Sprecher der Kreispolizei in Viersen. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres gab es bisher 33 Unfälle von Senioren mit Rädern aller Art.

Sicherheit beim Umgang mit dem Elektro-Rad ist unverzichtbar, um Unfälle zu vermeiden: „Deshalb bieten unsere Verkehrssicherheitsberater auch Seminare für Senioren an, allerdings nur auf Anfrage“, erklärt ein Sprecher der Kreispolizei. Nachbarn, Freunde, Radsportgruppen seien mögliche Zielgruppen für solche Seminare. Die Teilnahme an einem Verkehrssicherheitstraining empfiehlt auch Mediziner Peter Könings. Von Protektoren für Knie oder Ellenbogen rät er allerdings ab: „Niemand soll eine Ritterrüstung beim Radfahren tragen.“

Ein Risiko für Senioren liegt in der deutlich höheren Geschwindigkeit

Einen Fahrradhelm hält Könings aber, wie auch die Polizei im Kreis Viersen, für „sinnvoll“. „Dadurch können schwere Kopfverletzungen bei einem Sturz oder Unfall verhindert werden“, erklärt die Kreispolizei. Kurioserweise hätten viele Kinder auf dem Rad vorbildlich einen Helm an, weil die Eltern darauf Wert legten. Die Eltern würden selbst aber keinen Helm tragen. „Auch wenn es keine Helmpflicht gibt, sollten sich Eltern ihrer Vorbildfunktion bewusst werden“, so die Polizei.

Ein Risiko für Senioren liegt in der deutlich höheren Geschwindigkeit der neuen Fahrradgeneration: „Radler sind damit mit bis zu 25 Kilometern pro Stunde unterwegs“, sagt Uwe Platte. Dies sei gefährlich, weil im Alter das Seh- und Hörvermögen abnehme, auch die Reaktionszeiten seien langsamer. „Zudem unterschätzen viele Ältere die Kraft, die hinter einem elektrounterstützten Fahrrad steckt“ ergänzt Peter Könings. Diese müsse beherrscht werden.

Was hilft Senioren, die gern mit Elektroantrieb radeln würden? Sie sollten sich beim Kauf beraten lassen und auf Eigenheiten des künftigen Rades achten, sagt Thomas Jurk, Radsportler und Fahrradhändler aus Schwalmtal.

„Leider gibt es immer noch Pedelecs, die so konstruiert sind, dass Gefahrenpunkte entstehen. Durch eine ungünstige Platzierung der Akkus an oder auf dem Gepäckträger kann sich das Rad unter ungünstigen Bedingungen aufschwingen, ähnlich wie ein Wohnwagen“, beschreibt der Fachmann. „In diesem Fall ist es schwierig, wieder die Kontrolle zu erlangen.“

Bei neueren Modellen sei der Akku direkt im Rahmen verbaut oder sitze über dem Motor. Jurks Tipp: „Testweise seitlich neben das Rad stellen, einen Impuls auf das Lenkrad geben und dabei beobachten, ob das Rad schwingt.“ Ein weiterer Ratschlag des Experten: „Wichtig ist, das Rad auf die eigene Körpergröße anzupassen, so dass es auch mit steigendem Alter noch passend ist. Die Räder neigen sonst zum Wegrutschen. Das ist für den Laien nicht so einfach erkennbar.“

Ein Verletzungsrisiko könne auch von den Fahrradwegen ausgehen. Selbst neue Radwege seien laut Thomas Jurks Einschätzung manchmal schlecht geplant, so etwa in Schwalmtal-Hagen. „Es gibt Schrägen und Verschwenkungen in der Fahrbahn, die im Winter bei einer nur geringen Vereisung dazu führen können, dass man ausrutscht“, sagt der Fachmann. Man solle im Alter antrainierte Gewohnheiten nicht unterschätzen: „Wer bis zum Alter von 70 Jahren ein Rad mit Rücktritt gefahren ist, der sollte nicht auf ein Elektrobike ohne Rücktritt umsteigen.“

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