Klinikskandal: Chefarzt sieht sich als Opfer

Im Verfahren um den Wegberger Klinik-Skandal hat die Verteidigung gestern alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Wegberg/Mönchengladbach. Im Prozess um den Wegberger Klinik-Skandal sind die Verteidiger des Hauptangeklagten in die Gegenoffensive gegangen. Sie erheben schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft.

Die Ankläger seien einem anonymen Anzeigeerstatter aufgesessen, kritisierte Verteidiger Thomas Verheyen am Donnerstag vor dem Mönchengladbacher Landgericht. Die Vorwürfe gegen den einstigen Wegberger Klinik-Chef und Chefarzt Arnold Pier seien falsch und widerlegbar, aber von der Staatsanwaltschaft ungeprüft übernommen worden.

Das angebliche Motiv des Profitstrebens sei bewusst konstruiert worden. Tatsächlich gebe es dafür keinen Anhaltspunkt. Im Verlauf des Verfahrens werde sich zeigen, dass die Vorwürfe unhaltbar seien, heißt es in der Erklärung für den Hauptangeklagten Pier.

Die Ankläger werfen Pier vor, für den Tod von sieben Patienten und für mehr als 60 Fälle von Körperverletzung verantwortlich zu sein. Pier habe aus Profitstreben seinen Patienten gesunde Organe entnommen und an teuren Medikamenten gespart.

Diese Behauptungen hätten Pier "mit unvorstellbarer Härte" getroffen und zur vollständigen Vernichtung seines Rufs als Arzt und zur weitgehenden Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beigetragen, entgegnete sein Verteidiger.

"Eine Einschränkung bei der medizinischen und medikamentösen Versorgung der Patienten gab es nicht", sagte der Anwalt. So sei der Einsatz von Antibiotika unter Pier trotz rückläufiger Patientenzahl noch gesteigert worden. Das sei durch die Zahlen des Krankenhauses zu belegen.

Verheyen verteidigte auch den Einsatz von frisch gepresstem Zitronensaft zur Wundbehandlung: Der Privatdozent Pier sei von der Wirksamkeit von Zitronensaft überzeugt. "Seine Erfahrung, die medizinische Fachpresse und Behandlungserfolge geben ihm Recht." Die Behauptung, Zitronensaft sei nicht steril, sei falsch. Der Einsatz des Saftes sei nie mit der Intention erfolgt, Kosten zu sparen.

Auch die Behauptung, Pier habe aus Gewinnstreben gesunde Organe entnommen, sei falsch. Die ungeplante, zusätzliche Organentnahme falle bei einer Operation "kostenmäßig gar nicht ins Gewicht".

Pier habe zwar als Klinik-Leiter das Gebot wirtschaftlichen Handelns verfolgen müssen. Als Chefarzt bei der Behandlung von Patienten habe er sich aber "zu keinem Zeitpunkt von wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen. Es ging ihm ausschließlich um das Wohl des Patienten."

Die Staatsanwälte stützen ihre Vorwürfe auf medizinische Fachgutachten. Ein Gutachter hatte etwa über den Einsatz von Zitronensaft geurteilt, dies komme einer zusätzlichen Infizierung der Wunde gleich. Zeugen hatten laut Anklage ausgesagt, dass Pier mehrfach bei Behandlungsfragen auf die Kosten hingewiesen habe.

Pier hatte die wirtschaftlich angeschlagene Klinik 2006 übernommen. Der Hauptangeklagte war Klinik-Besitzer, Chefarzt und ärztlicher Direktor in einer Person.

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