Kreis Viersen Sozialwohnungen sind Mangelware

Kreis Viersen. · analyse Besonders in Nettetal fehlen günstige Wohnungen. Wie reagieren die Städte?

 März 2019: Spatenstich zum Baugebiet Burghof II in Waldniel, in dem auch Mehrfamilienhäuser entstehen.

März 2019: Spatenstich zum Baugebiet Burghof II in Waldniel, in dem auch Mehrfamilienhäuser entstehen.

Foto: Knappe, Jšrg (jkn)

In den fünf Städten und Gemeinden des Westkreises fallen bis zum Jahr 2030 mehr als 1200 Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung – das sind rund 27 Prozent des Gesamtbestandes. Das geht aus einer Modellrechnung der NRW.Bank hervor. Besonders betroffen sind Brüggen (minus 79 Prozent), Nettetal (minus 36 Prozent) und Schwalmtal (minus 32 Prozent). Zahlenmäßig fallen die meisten öffentlich geförderten Wohnungen in Viersen und Nettetal aus der Mietpreisbindung – je rund 450.

Wie gehen die einzelnen Kommunen mit dem Problem um? Eine Übersicht.

In der Stadt Viersen gab es zum Stichtag 31. Dezember 2019 insgesamt 2433 öffentlich geförderte Mietwohnungen.  „Aus dem Handlungskonzept Wohnen (HKW) und der 2017 fortgeschriebenen Wohnraumbedarfsprognose ergibt sich ein gutachterlich errechneter Bedarf von rund 130 neu zu bauenden Wohneinheiten pro Jahr bis 2020“, sagt Stadtsprecher Frank Schliffke. Fertiggestellt wurden aber deutlich weniger: 43 Mietwohnungen mit öffentlicher Förderung waren es im vergangenen Jahr, 2018 waren es 86, im Jahr 2017 entstanden 69. „Unsere Prognose für 2020 liegt bei 51 Wohnungen“, sagt Schliffke. Warum wurde nicht mehr investiert? Die Gründe seien vielfältig, sagt der Stadtsprecher. „Das reicht von der Frage, ob zum Zeitpunkt einer möglichen Investition geeignete Grundstücke zur Verfügung stehen bis zu dem Aspekt, dass erhebliche Investitionen in beispielsweise die energetische Sanierung des Bestandes

fließen.“ Dieses Geld stehe dann nicht für Neubauten zur Verfügung. Schliffke: „Ob öffentlich geförderte Neubauwohnungen möglicherweise bei entsprechender Ausstattung wie Fahrstuhl oder Barrierefreiheit wegen der steigenden Betriebskosten nur noch von Menschen gemietet werden können, die zwar einen Wohnberechtigungsschein besitzen, aber keine Transferleistungen beziehen, mag bei einzelnen Investitionsentscheidungen eine Rolle spielen.“ Weitere Gründe könnten „hohe bürokratische Hürden“ für den Abruf von Fördermitteln sein, auch inwieweit fehlende Kapazitäten der Bauunternehmen eine Rolle spielen, lasse sich nicht beurteilen. Und wie reagiert die Stadt darauf? „Wir bauen eine kontinuierliche kommunale Wohnungsmarktbeobachtung auf“, sagt Schliffke – und die Stadt werde ihre Bedarfsprognose für sozialen Wohnraum aktualisieren. „Bei neu zu entwickelnden Baugebieten und Bauflächen sprechen wir Empfehlungen zur Wohnraumentwicklung aus“, so Schliffke. „Dabei werden öffentlich geförderte Wohnungen ausdrücklich berücksichtigt.“ Daneben stehe die Stadt im stetigen Austausch mit anderen Kommunen, um

weitere Instrumente und Anreize zu schaffen, mit denen der Bau von öffentlich gefördertem oder preiswertem Wohnraum unterstützt wird.

In Nettetal gibt es laut Stadt aktuell 1521 Sozialwohnungen. Die Baugesellschaft Nettetal verfügt aktuell über 654 öffentlich geförderte Wohnungen. Sie ist damit der größte Anbieter von Sozialwohnungen in Nettetal. Die GWG weist für Nettetal 843 Wohnungen im Bestand aus, davon dürften grob geschätzt die Hälfte Sozialwohnungen sein.

Die Stadt Nettetal hat 2018 ein Handlungskonzept Wohnen erstellen lassen, in dem ein Bedarf festgestellt wird. Bei gleichbleibender Bevölkerung sind bis 2030 insgesamt 184 neue öffentlich geförderte Wohnungen nötig. Sollte die Bevölkerung wachsen, wären es 332 Wohnungen. In Nettetal entstanden im Jahr 2019 nur acht Wohneinheiten in zwei Einfamilienhäusern und einem Mehrfamilienhaus neu, teilt die Stadtverwaltung mit.

Dass nicht mehr Wohnungen gebaut wurden, liegt nach Meinung von Volker Ruiters, Vorstand der Baugesellschaft Nettetal, daran, dass die Förderkonditionen unattraktiv waren und teilweise auch noch sind. Für 2020 soll die Bewilligungsmiete um 0,10 Euro je Quadratmeter monatlich, das Darlehn um 200 Euro je Quadratmeter neugebauter Wohnfläche erhöht werden. In der Regel lasse sich öffentlich geförderter Wohnungsbau betriebswirtschaftlich nur dann darstellen, wenn er in einem Bauprojekt nur 30 bis 40 Prozent ausmache und durch freifinanzierten Wohnungsbau in entsprechendem Umfang gegenfinanziert werde. Ein wichtiger Punkt ist auch, zu welchen Konditionen die Städte Grundstücke an gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften abgeben. Die Stadt Nettetal habe, so Ruiters weiter, insbesondere im vergangenen Jahr von der Möglichkeit, Bauland günstiger abzugeben, Gebrauch gemacht.

In Niederkrüchten gibt es 2018 laut NRW.Bank 46 Sozialwohnungen, 21 unterhält die GWG. Bis 2030  sind es laut NRW.Bank sechs Wohnungen weniger. Perspektivisch fehlen  kleine Wohnungen für Singles oder Rentner. Gemeindeverwaltung und Politiker haben deshalb den Masterplan Wohnen auf den Weg gebracht. Bis zum Jahr 2035 sollen im Gemeindegebiet 1060 kleinteilige Wohneinheiten entstehen, darunter sind auch sozial geförderte Wohnungen. Ein Problem für die Gemeinde laut Bürgermeister Kalle Wassong (parteilos): Ihr fehlen Flächen für neue Wohnhäuser. Deshalb soll jetzt geprüft werden, ob auch außerhalb von Elmpt und Niederkrüchten Siedlungsflächen erweitert werden können. Diese Untersuchung soll im Frühjahr abgeschlossen sein.

In Brüggen betreut die GWG 170 Wohnungen: 74 im Brüggener Zentrum, 96 im Ortsteil Bracht. Laut NRW.Bank sinkt die Zahl der Sozialwohnungen bis zum Jahr 2030 auf 30. Auch in der Burggemeinde seien kleine, bezahlbare Wohnungen Mangelware, sagt Thomas Jäger, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters. Laut Jäger hat die Gemeinde das Problem erkannt. Dabei helfen könne etwa die Gründung einer Baugesellschaft. Diese war noch für 2019 geplant, doch die Gründung werde sich wegen der komplexen Vorgaben  hinauszögern.

In Schwalmtal gibt es 2018 340 Sozialwohnungen laut NRW.Bank, 310 Wohnungen gehören zum Bestand der GWG. Bis zum Jahr 2030 werden es laut NRW.Bank nur noch 220 Sozialwohnungen sein. „Es gibt relativ viele Sozialwohnungen, die meisten stammen aus den 1960er und -70er Jahren“, sagt Schwalmtals Bürgermeister Michael Pesch. Dass aktuell Bedarf bestehe, zeige das Baugebiet Burghof  II; dort seien einige Mehrfamilienhäuser geplant. hb/mrö/busch-

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