Hauptbahnhöfe ohne Charme

Schöne und kundenfreundliche Bahnhöfe sind von der Allianz pro Schiene ausgezeichnet worden. Haltepunkte am Niederrhein sind nicht dabei.

Niederrhein. "Wenn ein Bahnhof nicht mehr ein Ort ist, von dem man möglichst schnell weg will, dann ist das ein starkes Indiz für Preiswürdigkeit", sagt Dirk Flege. Er ist Geschäftsführer der Allianz-pro-Schiene. Und in dieser Eigenschaft hat er am Mittwoch den Städten Erfurt und Uelzen den Titel "Bahnhöfe des Jahres 2009" verliehen.

Beide seien äußerst kundenfreundlich; der Großstadtbahnhof Erfurt überzeuge durch eine meisterliche Glaskonstruktion, der vom Architekten Friedensreich Hundertwasser gestaltete Kleinstadtbahnhof Uelzen verbinde Kunst und Kundenfreundlichkeit, so die Jury.

Bahnhöfe vom Niederrhein spielen in dieser Wertung keine Rolle. Krefeld und Mönchengladbach sind demnach keine Orte, an denen man sich gerne länger als unbedingt nötig aufhalten möchte. "Die Bahnhofshalle macht einen kalten Eindruck", urteilt Klaus Hegmanns vom Fahrgastverband Pro Bahn über den Krefelder Hauptbahnhof.

Da könnte man seiner Ansicht nach durch eine bessere Gastronomie mehr daraus machen. Für mehr Leben könnte ein Internet-Café sorgen. Als Riesendefizit sieht er an, dass der aus dem Jahre 1907 stammende Bahnhof immer noch nicht behindertengerecht ist. Rollstuhlfahrer müssen über einen Riesenumweg von Mitarbeitern der Bahnhofsmission über die Gleise getragen werden.

In Kempen macht der Bahnhof von weitem einen guten Eindruck. "Aber wenn man genauer hinguckt, fällt einem doch einiges auf", sagt Hegmanns. So lasse die Sauberkeit zu wünschen übrig, die Anlagen könnten eine Grundreinigung vertragen. An Bahnsteigen wird man nass, weil die Regenrinnen der Überdachungen Risse aufweisen. Besser könnten die Park & Ride-Anlagen in Kempen sein, so das Urteil von Pro Bahn.

Gearbeitet wird seit einiger Zeit im Mönchengladbacher Hauptbahnhof. Derzeit wird der Brandschutz erneuert. Für insgesamt sechs Millionen Euro soll der Bahnhof bis 2012 ein neues Gesicht erhalten mit neuen Ladenlokalen, Gastronomie, Fußböden und Fassade. "Er hatte es aber auch bitter nötig", sagt Detlef Neuß von Pro Bahn.

Das gilt auch für den Hauptbahnhof Rheydt, doch dort ist zur Zeit nichts geplant, sagt Elmar Heinrichs vom Bahnhofsmanagement der DB. Der Bahnhof verfällt zusehends, es gibt keine behindertengerechten Zugänge, nicht einmal mehr Toiletten sind vorhanden. Unterstützungsangebote für einen Umbau seitens des Citymanagements der Stadt lehnte die Bahn ab. Noch katastrophaler, so Pro Bahn, seien die Zustände an den kleineren Haltepunkten Wickrath und Odenkirchen.

Als einzige deutsche Stadt hat Mönchengladbach zwei Hauptbahnhöfe - und doch rollt der Bahnfernverkehr vorbei. "Gladbach ist die größte deutsche Stadt ohne Fernverkehr" sagt Neuß. Dazu passt, dass zum Winterfahrplan auch der Regionalexpress nach Münster eingestellt wird.

Fernverkehr ist auch in Viersen ein Fremdwort, wo früher Verbindungen nach Berlin und Rotterdam selbstverständlich waren. Dafür kann sich der Bahnhof sehen lassen. Er ist frisch renoviert und gerade feierlich übergeben worden. Aufzüge gibt’s an jedem Bahnsteig, alle Ladenlokale sind ebenso neu wie die Toilettenanlage.

Der Bahnhof hat jetzt einen Ostausgang, an dem ein Park & Ride-Platz entsteht. Warum in Viersen schon funktioniert, was in Krefeld und Gladbach noch nicht geklappt hat? Der Bahnhof wurde von einem Privatinvestor gekauft und in Schuss gebracht. Das Urteil von Detlef Neuß von Pro Bahn: "Das ist sehr gut geworden."

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