Eine Brücke für Bambi

Natur: Grünbrücken sind eine teure, aber wirksame Investition, um Wildunfälle zu verhüten. Eine steht im Elmpter Wald.

Niederrhein. Erst als die Sterne verblassen und die Dämmerung hereinbricht, senkt sich schneidende Kälte auf das Unterholz herab. Im Westen schimmern die Lichter der Hochhäuser von Roermond, im Wald und auf der Lichtung ist keine Bewegung zu bemerken, kaum ein Laut zu vernehmen.

Die Idylle wird lediglich gestört durch das an- und abschwellende Dröhnen von Dieselmotoren. "Ich glaube, wir bekommen Dienstagmorgen keinen Besuch mehr", flüstert Theo Linder, und setzt seinen Feldstecher von den Augen.

Die Lichtung ist nur eine Illusion aus dichtem Gras, Sand und Bäumen: In Elmpt, nahe der Grenze zu den Niederlanden, befindet sich eine von drei Grünbrücken in NRW.

Überquerungsmöglichkeiten für Hasen, Wildsauen und Rehe über die Autobahn. Unter dem Rasen, auf den Fahrbahnen, ziehen beleuchtete Lkw dahin.

Seit 49 Jahren ist der 74-jährige Linder Jagdpächter im Elmpter Wald, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet am Niederrhein. Und er ist Befürworter von Grünbrücken.

"Der finanzielle Aufwand, das Wild zu schützen und Wildunfälle zu verhüten, ist zwar sehr hoch. Doch es scheint gerechtfertigt." Im vergangenen Jahr wurde die knapp 50 Meter breite Brücke freigegeben. 3,5 Millionen Euro hat sie gekostet.

Statistiken der Landesbetriebe Straßen NRW und Wald und Holz bestätigen Linders Ansicht. "Seit 1975 hat sich die Zahl der Wildunfälle in NRW verfünffacht auf etwa 30000 pro Jahr", erklärt Thomas Kämmerlings von Straßen NRW.

Zwar gebe es durch Wildzäune und Blinklichter Möglichkeiten, Wild von Straßen fernzuhalten. "Doch Untersuchungen haben gezeigt, dass Rotwild kilometerweit an den Zäunen entlangläuft und Schwarzwild in wilder Flucht auch durch einen Zaun nicht abgehalten werden kann."

Wirklich wirksam sei nur die Grünbrücke. Doch erst nach einiger Zeit akzeptierten die Tiere das Bauwerk, am ehesten Wildschweine. Michael Wiesner, Forstplaner beim Landesbetrieb Wild und Holz, hat eine frische Fährte ausgemacht. Er deutet auf einen Sandfleck mit einem Abdruck: "Ein Reh auf der Flucht. Muss nach vier Uhr Dienstagmorgen die Brücke passiert haben."

Und dann geschieht es doch: In der Dunkelheit zwischen den Bäumen auf der anderen Seite blickt ein junges Reh neugierig herüber. Nur einige Augenblicke, dann verschwindet das Tier ohne Hast wieder im Wald. Kein Zweifel: Die Brücke wird von ihren Benutzern angenommen.

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