Afghanistan-Einsatz: Holger Jentgen - Täglich Emails aus Kabul

Polizist Holger Jentgen leistet Aufbauhilfe in Kabul. Seine Familie muss den Alltag ohne ihn bestreiten.

Viersen/Anrath. "Mir fehlt einfach mein Mann", sagt Christine Jentgen schlicht. Ihr Mann Holger ist gerade in Kabul, um bei der dortigen Polizei Aufbauhilfe zu leisten. Das hat er vor fünf Jahren auch in Bosnien getan, wo er ein Jahr lang in Srebrenica gearbeitet hat. "Damals wäre ich am liebsten mitgefahren", erinnert sie sich. Lange vorher war damals der Einsatz-Ort klar. In dieser Zeit hatten die Jentgens sich gemeinsam mit dem Land, seiner Kultur und Geschichte beschäftigt. "Ich war damals so stark involviert. Ich hätte mir gut vorstellen können, ihn zu begleiten und dort in anderer Funktion tätig zu werden." Wegen des kleinen Sohns Robin sei sie aber doch lieber zu Hause geblieben.

Diesmal war lange unklar, wohin es gehen sollte. Zunächst war Afrika im Gespräch, "Afghanistan ergab sich recht kurzfristig." Die dortige Sicherheitslage erscheint ihr prekär - ein weiterer Grund, warum Christine Jentgen diesmal nicht den Wunsch verspürt hatte, mitzugehen. Entsprechend groß ist auch ihre Angst. "Natürlich ist der Beruf meines Mannes sowieso nicht ungefährlich." Daran habe sie sich gewöhnt. "Aber ich weiß, dass er nicht leichtsinnig sein wird", versucht sie sich zu beruhigen. Einen Einsatz dort abzulehnen, hätte sich jedoch verboten. "Wenn er dort gebraucht wird? Das ist schließlich keine Urlaubsreise, bei der man sich das Ziel aussuchen oder die man abblasen kann, wenn einem etwas nicht passt."

Der Aufbruch verlief nicht gerade glücklich. "Die sollten am 12. Dezember fliegen. Von Köln zuerst nach Usbekistan." Wegen des Wetters war das nicht möglich. Holger Jentgen war in St. Augustin kaserniert, das Gepäck nicht mehr greifbar. "Da bin ich am 13. nochmal hingefahren und habe ihm frische Wäsche gebracht." Beide entschieden sich dafür, dass er in der Zwischenzeit nicht nach Hause kommen sollte. Sohn Robin hätte erneut Abschied nehmen müssen, und das wollten sie dem Achtjährigen ersparen.

"Am 14. ging es dann endlich los." Dass sich der Weiterflug an den Hindukusch nochmal verzögerte, konnte Christine Jentgen nicht ahnen. Bange Stunden, bange Tage. Erst am 16. kam der erlösende Anruf, der auch die Verzögerung mit Wetterproblemen erklärte. "Um elf Uhr morgens. Da flossen erst die Tränen. Dann war ich wieder ruhiger."

Für ihren Mann hatte das einen Vorteil. Hieß es vor seiner Abreise, dass er in Kabul noch beim Umzug der Polizei in ein neues Gebäude mithelfen müsse, war der inzwischen abgeschlossen. Holger Jentgen konnte direkt sein Zimmer mit eigener Dusche und WC beziehen.

Die Abreise kurz vor Weihnachten hatten die beiden für sinnvoll erachtet, auch wenn es weh getan habe. So konnten sie diese schwierigste Phase der Trennung schnell hinter sich bringen. "Nächstes Weihnachten sind wir alle wieder zusammen", freut Christine Jentgen sich jetzt schon. In Anrath versuchte die Familie, alles wie immer zu feiern, es war "nur entsprechend traurig und feucht. Es fehlte eben einer." Abends hätte man noch ausgiebig telefoniert. "Und dann war ich froh, als auch der Jahreswechsel vorbei war und wieder Alltag einkehrte." Christine Jentgen ist als Rechtsanwaltsgehilfin in Krefeld berufstätig.

E-Mails gehen täglich zwischen Kabul und Anrath hin und her. "Die Telefonverbindung ist erstaunlich gut. Nach Srebrenica war sie viel schlechter, da konnte man sich oft kaum verstehen." Eine große Erleichterung zu wissen, dass man einfach mal zum Telefonhörer greifen kann. "Dann sprechen wir ein paar Minuten und dann geht es wieder."

Die beiden erwachsenen Töchter leben mit im Haus und gehen altersentsprechend ihre eigenen Wege. "Jetzt fangen sie an, mich zu bemuttern," schmunzelt Christine Jentgen. "Mama, dürfen wir dich jetzt wirklich alleine lassen", bekomme sie bisweilen zu hören. "Ich bin schon groß", würde sie ihnen dann sagen. Auch der große Freundeskreis gibt ihr Rückhalt.

Aber die Hobbys, die sie sonst mit ihrem Mann teilt, hätten momentan ihren Reiz verloren. Beide sind Fans von Fortuna Düsseldorf: "Egal in welcher Liga die spielen." Und auch das Wandern mache ohne ihn keinen Spaß.

Frühere Erfahrungen: So einen Einsatz hatte Jentgen bereits im Jahr 2001/2002 in Srebrenica in Bosnien. Diese Zeit war für ihn so interessant, dass er sich erneut für einen Einsatz im Ausland zur Verfügung gestellt hat.

Hochachtung: Weil er selbst einräumt, dass dabei durchaus egoistische Motive eine Rolle spielen wie "Fernweh, Neugier, Wissensdurst und etwas Abenteuerlust", möchte er die Rolle seiner Frau bei der Unternehmung gerne gewürdigt wissen.

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