Prozess Vauth: Deal vorläufig gescheitert

Im Prozess wurde die Anklageschrift verlesen. Die Verteidigung hielt einen stundenlangen Vortrag.

Prozess: Vauth: Deal vorläufig gescheitert
Foto: Reimann

Tönisvorst/Krefeld. Das kann sich ziehen, sehr lange sogar. Möglicherweise spielen beide Seiten auf Zeit, die Vertretung der Anklage gegen den früheren Krefelder Anwalt Lothar Vauth auf der einen Seite — auf der anderen dessen Verteidigung. Immerhin liegen erstmals Vorschläge auf dem Tisch, über welches Strafmaß das Landgericht möglicherweise zu entscheiden hat.

Zum Prozessauftakt hatte es ein Gespräch gegeben, bei dem die Parteien den Versuch gemacht hatten, die Grenzen des Verfahrens auszuloten. Der Strafrahmen, den Lothar Vauth bei einer Verurteil wegen Untreue in über 900 Fällen zu erwarten hat, liegt demnach zwischen dreieinhalb und fünf Jahren. Seine Ehefrau Jessica dagegen könnte unter Umständen wegen Beihilfe mit einer Bewährungsstrafe von ein bis zwei Jahren davonkommen. Voraussetzung ist wohl ein Geständnis. ABer soweit ist es noch lange nicht. Ein Gespräch am Dienstag habe keine Einigung gebracht, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Jessica Vauth in einer Notiz an ihren Mann Lothar

Was bedeutet: Jetzt wird erstmal verhandelt. Am Mittwoch wurde die Anklage verlesen, dafür benötigte die Staatsanwaltschaft eine halbe Stunde. Zuvor hatte Vauths Verteidiger Daniel Wölky erklärt, aus seiner Sicht sei das Gericht nicht zuständig. Nach der Anklageverlesung begann der Jurist mit der Rüge des Gerichts, das er auch für falsch besetzt hält. Warum, blieb offen.

Wölky verlas die gesamte Anklageschrift nochmal — ein fingerdicker Ordner. Die Folge: Der Zuschauerraum leerte sich. „Otto Normalverbraucher“ erschließt sich nicht, warum so etwas geschieht. Am Nachmittag gegen 14.15 Uhr war er noch nicht fertig, der Termin wurde unterbrochen, weil Lothar Vauth der Verhandlung nicht mehr folgen könne, hieß es.

Die Beteiligten nahmen die „Vorleseorgie“ (O-Ton eines Beobachters) gelassen zur Kenntnis, das Ehepaar Vauth genoss sichtlich das Zusammensein, berührte sich immer wieder, hielt Händchen. Lothar Vauth war diesmal in einem Rollstuhl in die Anklagebank geschoben worden, neben ihm hatte seine Frau Platz genommen. Sie hatte ihre Karl-Lagerfeld-Tasche unmittelbar neben die Bank platziert. Den Ausführungen der Staatsanwaltschaft folgte Lothar Vauth ausgesprochen aufmerksam, zwischendurch machte er sich immer wieder Notizen. Hatte er zu Beginn der Verhandlung noch seine normale Brille getragen, wechselte er wenig später zur Sonnenbrille.

Zurück zur Anklage. Die Vorwürfe, die gegen das Ehepaar erhoben werden, sind deftig. Erstmal wurden Einzelheiten öffentlich. So wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor, einen Mandanten verteidigt zu haben, der auf 100 000 Euro verklagt worden war. Vauth habe von diesem Mandanten eine Zahlung von 50 000 verlangt. Diese sei auf ein Anderkonto der Sozietät erfolgt. Dann habe Vauth das Geld abgehoben und „für private Zwecke verbraucht“, so die Staatsanwaltschaft. Später habe er weitere 20 000 Euro vom selben Mandanten abgehoben. Um allzu lästigen Nachfragen zu entgehen, wurde dem Mandanten sogar ein fingierter Vergleichstext vorgelegt. „Ich gehe davon aus, dass noch zirka zwei bis drei Monate rauszuschlagen sind“, hatte Jessica Vauth in einer Notiz ihrem Mann mitgeteilt. Und: „Dieser Vermerk landet auf keinen Fall in der Akte.“ Sie führte als Bürovorsteherin die Geschäfte der Kanzlei. Lothar Vauth hatte handschriftlich reagiert: „Du bist spitze.“

Ähnlich gestalteten sich weitere Fälle. Immer wieder sollen die Eheleute Papiere fingiert haben, mal eine Zahlungsaufforderung an die Gegenseite, mal ein Mahnungschreiben. Es soll immer gleich geendete haben: Die Vauths sollen das Geld für ihre Zwecke ausgegeben haben. „Sie wollten sich so eine Einnahmequelle sichern“, so die Staatsanwaltschaft.

Außerdem wurden laut Anklageschrift mögliche belastende Papiere in einer Schublade gelagert, zu der nur Lothar Vauth Zugang hatte. Der entstandene Schaden war immens und wurde teilweise durch die Sozietät ausgeglichen. Er wurde am Mittwoch mit 1,9 Millionen Euro beziffert. Auch für die Gestaltung seines Prinzenamtes im Tönisvorster Karneval sei solches Geld geflossen. Nicht zuletzt wurde am Mittwoch eine Spende an den SPD-Unterbezirk Duisburg in Höhe von 6000 Euro erwähnt. Dessen Vorsitzender war seinerzeit der heutige Landesinnenminister Ralf Jäger.

Lothar Vauth an seine Frau Jessica, die ihm mitgeteilt hatte, dass eine bestimmte Notiz sicher nicht in den Akten landen würde.

Auch Kreditkarten habe Vauth unrechtmäßig eingesetzt, etwa zur Begleichung von Rechnungen für Urlaube, Hotels, Restaurants oder auch des Herrenausstatters. Unregelmäßigkeiten habe es zudem bei den angeblichen Dienstfahrzeugen gegeben, die für die Kanzlei hätten unterwegs sein sollen, die aber im privaten Umfeld genutzt worden seien.

Als interessierter Zuschauer war Rechtsanwalt Jan Anger aus Düsseldorf anwesend, der für die Kanzlei Axel Kleinschmidt arbeitet. Die wiederum ist zuständig für die beantragte Privatinsolvenz von Lothar Vauth. „Wenn er verhandlungsfähig ist, muss er mit uns zusammenarbeiten. Sonst steht er im Verdacht, Boykotthandlungen zu begehen“, so Anger gegenüber unserer Zeitung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort