Streit um Regiobahn eskaliert

Gladbachs Bürgermeister empfiehlt dem Stadtrat, den Ausbau abzulehnen — der Kreis Viersen reagiert bestürzt.

Streit um Regiobahn eskaliert
Foto: Archiv

Kreis Viersen. In einer Vorlage für den Stadtrat empfiehlt Mönchengladbachs Oberbürgermeister Hans-Wilhelm Reiners, den Ausbau der Regiobahn als S 28 von Kaarst-See nach Viersen abzulehnen. Im Kreis Viersen hat das Papier Unbehagen und Bestürzung ausgelöst. Abgestimmt mit den Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat, hat Viersens Bürgermeister Günter Thönnessen dazu einen „offenen Brief an die Entscheider in den politischen Gremien in Mönchengladbach“ verfasst. Der Nachbar droht sich regional selbst zu isolieren.

Nach jahrzehntelanger „politischer Sprachlosigkeit“ zwischen Viersen und Mönchengladbach habe es in den vergangenen Jahren eine spürbare Annäherung gegeben. Der erste „Meilenstein“ dieser Zusammenarbeit sei die Fusion von NVV und Niederrheinwerken zu NEW. Dies betrachtet Thönnessen als ein „Beispiel für die Möglichkeiten und die Kraft, die wirkliches regionales Denken entwickeln“ könne. Das gelte auch für die Verankerung eines interkommunalen Gewerbegebietes im Gebietsentwicklungsplan. Thönnessen zählt weitere Möglichkeiten einer fruchtbaren Zusammenarbeit in Kultur, Verwaltungsoptimierung, Entsorgung und Gesundheitswesen auf.

Daher erfülle ihn die aktuelle Diskussion in Mönchengladbach über die Regiobahn „mit großer Sorge“. Gladbachs Verwaltung hat eine Vorlage aufbereitet, mit der sie die Politik bewegen will, das Vorhaben nicht zu billigen. Ihm stehe es zwar nicht zu, Vorlagen der Nachbarstadt zu kommentieren, er komme aber nicht umhin festzustellen, dass sie eher von „partikularen als von regionalen Interessen geprägt“ sei, schreibt Thönnessen. Er appelliert an die Politik, keine Entscheidung zu treffen, die die regionale Zusammenarbeit „um Jahre zurückwirft“.

Unterstützt von allen Fraktion wird Thönnessens Feststellung, dass „eine singulär auf Mönchengladbach bezogene Betrachtung des Themas den Interessen eines Oberzentrums nicht gerecht wird“. In dieser Funktion lebe Mönchengladbach „auch von der Prosperität der umliegenden Städte und Gemeinden“. Die Stadt sei nicht nur auf die „Kaufkraft und Lebensqualität“ in der eigenen Stadt, sondern in der gesamten Region angewiesen.

Viersens Bürgermeister weist darauf hin, dass seine Stadt weitaus uneigennütziger handelt, wenn es um Verkehrsinfrastruktur geht. Das von Mönchengladbach mit großem Nachdruck verfolgte Projekt RoCK, eine von der EU geförderte Schienenstrecke von Eindhoven nach Düsseldorf, belaste Viersen und Dülken durch dann erhöhte Zugfrequenzen. Dem erforderlichen zweigleisigen Ausbau der Strecke Kaldenkirchen-Dülken haben sich weder Viersen noch Nettetal entgegengestellt. Wenn man den „grenzüberschreitenden Austausch von Menschen, Wissen und Wirtschaft“ wolle, mache ein solches Projekt für die Region Sinn und verdiene Unterstützung. Regiobahn und RoCK-Projekt seien Bausteine einer zukunftsweisenden Strukturpolitik, die sich nicht ausschlössen.

Nicht nur in Viersen hat die Beratungsvorlage aus dem Gladbacher Fachbereich Planung Stirnrunzeln hervorgerufen. Verwunderung löst in der Kreispolitik, quer durch die Fraktionen, unter anderem der Hinweis aus, man könne nicht ausschließen, dass die Trasse künftig — vor allem nachts — auch Güterverkehr aufnehmen müsse. Unterschlagen wird bei der Bewertung, dass die vorhandene Strecke eisenbahntechnisch nicht dafür geeignet ist. Außerdem müsste auch dort, also ab Kaarst-See in Richtung Düsseldorf, ein komplett neues Planfeststellungsverfahren in Gang gesetzt werden.

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